Langzeitentwicklung extragalaktischer Jets

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Extragalaktische Jets sind relativistische (d.h. sich mit annähernd Lichtgeschwindigkeit bewegende) gebündelte Gasströme, die aus den Kernen aktiver Galaxien entweichen. Während ihrer Lebenszeit von bis zu 100 Millionen Jahren transportieren sie gewaltige Energiemengen Millionen von Lichtjahre in den intergalaktischen Raum. Am 'Jetkopf' wird diese Energie teilweise in Radiostrahlung umgewandelt, die als 'Radioblasen' beobachtbar ist. Bis jetzt ist noch relativ wenig über den Entstehungsprozess der Jets bekannt. Aber höchstwahrscheinlich liefert die Akkretion von Materie auf ein riesiges schwarzes Loch im Zentrum der Galaxie die für die Jets benötigte Energie. Es wurden verschiedene Mechanismen für die Entstehung der Jets vorgeschlagen, die auch eine unterschiedliche Zusammensetzung des Jetmaterials bedingen. Wenn man bestimmen könnte, ob die Jets bespielsweise aus Elektronen und Protonen oder aus Elektronen und Positronen bestehen, würde man daher auch etwas über ihren Entstehungsprozess erfahren.

Figur 1: Ruhemassendichte eines starken (1046erg/s) Elektron-Positron-Jets im Alter von 5,3 Millionen Jahren (Achseneinheiten: 100.000 Lichtjahre). Der relativistische Jet verursacht eine Bugstosswelle (dunkle Kurve) im intergalaktischen Medium. Der Strahl ist umgeben von einer turbulenten Hülle, in der sich Materie aus dem Jet und der Umgebung vermischen.

Am MPA werden Langzeit - Simulationen von Jets mit verschiedenen Zusammensetzungen durchgeführt. Ziel ist es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Entwicklung verschiedener Jetmodelle zu finden, um dann daraus mit Hilfe von Radiobeobachtungen realer Jets Informationen über die Zusammensetzung der Jets zu gewinnen.

Figur 2: In diesem Bild des Druckgradienten in der Umgebung des Jetkopfs kann man die zahllosen Stosswellen im Strahl und in der turbulenten Hülle besonders gut erkennen.

Die hier gezeigten Bilder und dieser MPEG-Film (4MB) entstammen der bisher längsten Simulation eines relativistischen Jets (5300 Zeiteinheiten; das entspricht etwa einem Alter von 5,3 Millionen Jahre). Um den Jet so lang simulieren zu können, mussten wir Rotationssymmetrie um die Jetachse annehmen. Aber selbst mit dieser Symmetrieannahme benötigte ein Jetmodell mit 3,6 Millionen Rechenzellen immer noch 150 Stunden Rechenzeit auf dem NEC SX-5 Supercomputer des Rechenzentrums Garching (RZG). Eine dreidimensionale Rechnung ohne Symmetrieannahme würde auf dem selben Computer etwa 30 Jahre dauern.

Figur 3: Die Abbildung zeigt, wie der simulierte Jet aussähe, wenn man ihn mit einem Radioteleskop beobachten könnte. Der Winkel zwischen Blickrichtung und Jetachse beträgt 45 Grad. Nur die Bereiche in der Nähe der Jetköpfe, in denen hoher Druck herrscht ('Radioblasen'), und einer der beiden Jets sind sichtbar. Wegen des relativistischen Dopplereffekts wird die Strahlung, die von einem sich auf uns zubewegenden bzw. von uns wegbewegenden Körper stammt, verstärkt bzw. abgeschwächt. Daher ist der zweite, nach hinten gerichtete Jet hier nicht sichtbar.

Für die bisher untersuchten Anfangsbedingungen gibt es überraschend wenig Unterschiede in der Entwicklung und Morphologie von Jets mit sehr unterschiedlicher Zusammensetzung (reine Elektron-Proton bzw. Elektron-Positron-Jets). Durch die Wahl der Jetleistung, der anfänglichen Ausbreitungsgeschwindigkeit und der (gleichförmigen) Umgebungsdichte scheint die Entwicklung der Jets schon ziemlich genau festgelegt zu sein. Aber das mag für andere Anfangsbedingungen nicht mehr der Fall sein. Daher sind weitere Simulationen notwendig.


L. Scheck, E. Müller, J.-M. Marti






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