Wechselwirkende und verschmelzende Galaxien |
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Beobachtete Galaxien treten in unterschiedlichen Formen auf,
welche man traditionell entlang einer Reihe kategorisiert, die von
relativ gestaltlosen elliptischen Galaxien über scheibenartige
Objekte bis hin zu ausgeprägten Spiralgalaxien führt. Letztere sind
sicher unter den schönsten Objekten des Nachthimmels. Daneben gibt
es aber auch verschiedene Arten von eigentümlicheren Galaxien, die
sich nicht in dieses Schema einordnen lassen. Eine Unterklasse dieser
Objekte weist lange Arme aus Sternen und Gas auf, die aus dem
Hauptkörper der Galaxie herausragen und Längen bis zu mehreren
hundert Kiloparsec erreichen können.
Solche Arme bilden sich durch Gezeitenkräfte in nahen Begegnungen von Spriralgalaxien. Diese Kollisionen führen letztendlich zu einer Verschmelzung der beiden Galaxien, wobei ein einzelner Haufen aus Sternen entsteht und die Galaxien ihre ursprüngliche Identität verlieren.
In der Abbildung 1 zeigen wir ein typisches Beispiel für die Zeitentwicklung einer solchen Galaxienverschmelzung, so wie sie in einer unserer Computersimulationen erscheint. In dem betrachteten System fallen zwei gleiche Galaxien unter ihrer gegenseitigen Schwerkraft aufeinander zu. Die Zahlen in den einzelnen Bildern geben die Zeit in Milliarden Jahren seit dem Start der Simulation an. Wenn die Galaxien zum ersten Mal den Punkt des kleinsten Abstands erreichen, verwandeln Gezeitenkräfte die beiden Scheibengalaxien in ein Paar offener Spiralgalaxien. Gleichzeitig werden Sterne und Gas auf der Außenseite der Kollision auf gekrümmten Bahnen fortgeschleudert. Aus diesem Material formen sich später die Gezeitenarme. Auch auf der Innenseite wird Material herausgelöst, das zur Bildung von Brücken zwischen den sich entfernenden Galaxien führt. Diese Brücken werden bereits zerstört, wenn die Galaxien zu einer zweiten Begegnung zurückkehren, doch die Arme können in dem ruhigeren äußeren Bereich länger wachsen. Die Scheiben der Galaxien werden schließlich bei der abschließenden Verschmelzung der beiden Galaxien zerstört. Übrig bleibt ein nahezu kugelförmiges Sternsystem - ist dies eine elliptische Galaxie?
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Vor kurzem wurde in numerischen Studien gezeigt, daß Scheibengalaxien unterschiedlicher Struktur sich auch stark in ihrer Anfälligkeit gegenüber der Bildung von Gezeitenarmen unterscheiden können. Diese Beobachtung hat das Interesse an diesem Phänomen verstärkt, da sie die Möglichkeit aufzeigt, durch Gezeitenarme wichtige Hinweise über die Menge von Dunkler Materie in Galaxien und über ihre Verteilung relativ zu den leuchtenden Sternen zu erhalten.
Wir haben eine große Zahl von Kollisionen zwischen Scheibengalaxien simuliert, um dieser Frage nachzugehen. Aufgrund der Ergebnisse dieser Arbeit scheint es aber so zu sein, daß in derzeitigen kosmologischen Modellen mit Kalter Dunkler Materie (englisch `CDM', für cold dark matter) viele wechselwirkende Systeme in der Lage sein sollten, Gezeitenarme zu produzieren. Die beobachtete Anzahl dieser Systeme läßt sich also zwanglos erklären. Diese Schlußfolgerung ist praktisch unabhängig von der Wahl der kosmologischen Parameter innerhalb der CDM-Modelle, daher erscheint es unwahrscheinlich, daß Gezeitenarme für die Bestimmung dieser Parameter nützlich sind.
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Nichtsdestoweniger bleiben Gezeitenarme ein nützliches Werkzeug zum Studium der strukturellen Eigenschaften von Galaxien. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein detailiertes dynamisches Modell eines wechselwirkenden Systems mit Beobachtungen seines Geschwindigkeitsfelds verbunden wird. In Zusammenarbeit mit Pierre-Alain Duc (Universität Cambridge) haben wir ein solches Projekt begonnen. In Abbildung 2 zeigen wir erste Ergebnisse einer Studie des wechelwirkenden Paars NGC 2992/3. Das Bild links oben zeigt eine optische Aufnahme dieses Systems, während sein Geschwindkeitsfeld in der farbkodierten Abbildung rechts oben zu sehen ist. Unten links zeigen wir einen Ausschnitt der Zeitentwicklung der Gasdichte in einem unserer Computermodelle dieses Systems. Schließlich ist unten rechts das entsprechende Geschwindigkeitsfeld des Computermodells abgebildet.
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Das Verschmelzen von Galaxien ist ein unvermeidlicher und keineswegs ungewöhnlicher Prozeß in aktuellen Theorien zum Wachstum von Struktur im Universum und zur Entstehung der leuchtenden Galaxien in ihm. In diesen Theorien läuft die Entstehung der Galaxien hierarchisch ab; kleine Galaxien bilden sich zuerst, und diese bauen durch Verschmelzungsprozesse und weiteren Kollaps immer größere Objekte auf. In der aktuellen numerischen Arbeit am MPA werden diese Prozesse direkt innerhalb des korrekten kosmologischen Hintergrunds simuliert. Als ein Beispiel zeigen wir in Abbildung 3 eine Aufnahme einer hochaufgelösten Simulation eines Galaxienhaufens. Jeder Klumpen Dunkler Materie in diesem Bild entspricht vermutlich einer einzelnen Galaxie. Durch die detaillierte Analyse der Geschichte der Verschmelzungsprozesse der Dunklen Materie in dieser Simulation können genauere theoretische Vorhersagen für die erwartete Galaxienpopulation in CDM-Modellen gewonnen werden.
V. Springel, S. D. M. White
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