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Abb. 1:
Komponenten der GRXE in der Ebene der Milchstrasse im Energiebereich
von 3-10keV. Die gestreute GRXE ist für zwei Typen von XBs, XBs mit
kleiner Masse (LMXBs) und massereiche XBs (HMXBs), einzeln aufgeführt.
Die einzelnen Quellen, die zu den Höhepunkten im Streuprofil der GRXE
beitragen, sind namentlich gekennzeichnet.
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Abb. 2:
Karte des Streuanteils der GRXE-Emission am Himmel. Man erwartet, dass sie der Verteilung
des interstellaren Gas in der Galaxie folgt: in der Tat zeigt die Karte, dass die Intensität
tendenziell in der Galaxienebene stärker ist, wo das meiste interstellare Gas konzentriert
ist. Sehr dichte Gasregionen, wie dichte Molekülwolken, sind als helle Punkte in der Karte
deutlich sichtbar.
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Abb. 3:
Höhenprofile für die gestreute GRXE für zwei Modelle der Röntgendoppelsterne in der
Galaxie, einmal aufgrund von Beobachtungen in unserer eigenen Galaxie („scattered XBs“,
rote Kreuze) und in anderen Galaxien („scattered Monte Carlo XBs“, schwarze Kreuze).
Beide Profile folgen der Gasverteilung, die Verteilung der Sterne („stellar GRXE“, blaue
Sterne) ist viel breiter. In der Region, die durch die senkrechten Linien markiert ist, stimmen
beide Modelle mit den Grenzen von 10-20% nicht aufgelöster GRXE (von Revnivtsev et al.
2009) überein.
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Abb. 4:
Farbkodierte Darstellung des Aufheizens des interstellaren Gases pro Wasserstoffatom in der Ebene der Milchstrasse
durch die Absorption von Röntgenstrahlen von einer simulierten Population von Röntgendoppelsternen.
Röntgenstrahlen spielen im zentralen Bereich der Milchstrasse eventuell eine sehr wichtige Rolle für das
Aufheizen des interstellaren Gases.
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Die galaktische Scheibe der Milchstraße kann als Band aus Sternen quer über den
Nachthimmel von der Erde aus gesehen werden. Dabei wird das Band immer wieder von
schmalen, dunklen 'Staubbahnen' unterbrochen, in denen der Staub in der gasförmigen
Scheibe das sichtbare Licht der Hintergrundsterne verdeckt. Viele der interessantesten
Merkmale unserer Milchstraße können daher nur im Röntgenlicht beobachtet werden. Neben
den Röntgenpunktquellen, die in der Milchstraße verteilt sind, beobachten wir eine scheinbar
diffuse Röntgenstrahlung in der galaktischen Ebene, die als 'Galactic Ridge X-ray Emission
(GRXE)' bekannt ist.
Der Ursprung dieser Emission bereitete den Astrophysikern seit ihrer Entdeckung im Jahr
1982 durch Diana Worrall und ihre Mitarbeiter Kopfzerbrechen. Aufgrund der Schwierigkeiten,
die GRXE in Punktquellen aufzulösen, ging man zunächst davon aus, dass diese Emission
wirklich diffus sein könnte und ihren Ursprung in einem galaktischen Plasma statt diskreten
stellaren Quellen haben könnte.
Es wurde jedoch bald erkannt, dass die Temperatur des Gases für eine derartige
Emission nahezu zehn Millionen Grad heiß sein müsste. Allerdings wäre das Gas bei
solchen Temperaturen nicht mehr gravitativ an die Galaxie gebunden und würde aus
der Galaxie entweichen. Daher wurde vorgeschlagen, dass die GRXE von einer großen
Anzahl von Sternen stammen könnte, die im Röntgenbereich schwächer strahlen als
Röntgendoppelsterne mit einem Neutronenstern oder Schwarzen Loch (die aber immer
noch heller strahlen als unsere Sonne). Obwohl es nicht möglich war, diese tatsächlich
zur damaligen Zeit zu sehen, gab es die Hoffnung, dass mit neuen, empfindlicheren
Röntgensatelliten eines Tages eine Vielzahl von lichtschwachen Röntgenquellen vollständig
aufgelöst werden könnte.
Jahrzehnte lang wurden Versuche unternommen, diese Emission in Punktquellen aufzulösen,
aber der Großteil erschien weiterhin diffus. Schließlich gelang den Wissenschaftlern
Revnivtsev und Sasonow und ihren Mitarbeitern im Jahr 2009 der Durchbruch: Sie
richteten das Chandra-Röntgenobservatorium ganze 12 Tage lang auf einen sehr kleinen
Bereich des Himmels in der Nähe des galaktischen Zentrums und konnten mehr als
80% der Emissionen in dieser Region auflösen. Neben dieser direkten Beobachtung der
Quellen gab es in den letzten Jahren weitere indirekte Nachweise, die weitere Hinweise
auf einen diskreten Ursprung der GRXE gaben. Beispielsweise gibt es eine relativ gute
Übereinstimmung der räumlichen Intensitätsverteilung der Emission mit der Verteilung der
galaktischen Sternpopulation und auch das GRXE-Spektrum und die kombinierten Spektren
der vermuteten Quellen, die diese Emission verursachen, sind sehr ähnlich.
Damit schien es, dass generell ein Konsens über die diskrete Natur der Emission herrschte
und das Geheimnis der Herkunft der GRXE war offenbar endgültig gelöst worden.
Dies war jedoch nicht das Ende der Geschichte. Neuere Arbeiten von Forschern am Max-
Planck-Institut für Astrophysik legen nahe, dass die GRXE schlussendlich doch eine
zusätzliche, diffuse Komponente haben könnte. Diese würde nicht von der thermischen
Emission eines sehr heißen Plasmas stammen, sondern würde durch die Streuung der
durch leuchtende Röntgendoppelquellen in der Galaxis erzeugten Röntgenstrahlung im
interstellaren Gas entstehen.
Röntgendoppelsterne sind die stärksten Röntgenleuchtquellen in Galaxien wie der
Milchstraße. Diese Doppelsternsysteme emittieren Röntgenstrahlung, wenn Materie von dem
einen Stern in das starke Gravitationsfeld des wesentlichen kompakteren zweiten Sterns
fällt, der entweder ein Neutronenstern oder ein schwarzes Loch ist. Wenn die erzeugte
Röntgenstrahlung dann auf die Atome und Moleküle des galaktischen interstellaren Gases
trifft, wird sie in unterschiedliche Richtungen und mit unterschiedlichen Energien gestreut.
Durch diese Streuung der ursprünglichen Röntgenstrahlung wirkt die daraus resultierende
Strahlung auf den Betrachter wie eine diffuse Emission.
Die räumliche Intensitätsverteilung dieser Gas-Komponente des GRXE würde der Verteilung
des Gases in der Milchstraße folgen und müsste sich auf charakteristischer Weise von der
Intensitätsverteilung der Stern-Komponente des GRXE unterscheiden. Insbesondere wäre
die Gas-Komponente "dünn" im Vergleich zu der der Sterne, da sich die Gasverteilung nicht
so weit aus der galaktischen Ebene hinaus erstreckt wie die Sternpopulation. Zusätzlich
würden sehr dichte Regionen des Gases, wie Molekülwolken, sehr deutliche Strukturen in
der Gas-Komponente des GRXE hinterlassen. Mit einer ausreichend hohen Winkelauflösung
würden dann in der Nähe dieser Regionen Schwankungen in der Stärke der GRXE-Emission
beobachtbar sein.
Die Analyse der Forscher am Max-Planck-Institut für Astrophysik ergibt, dass in der
galaktischen Ebene, wo ein Großteil des interstellaren Gases konzentriert ist, die
Streuemission mindestens 10-30% zur gesamten GRXE beitragen kann. Dabei geht das
Interesse an der Gas-Komponente des GRXE jedoch über die Bestimmung ihres Ursprungs
hinaus. Diese Strahlung enthält nämlich auch Informationen über die Verteilung und die
Leuchtkraft der Röntgendoppelsterne an sich.
Direkte detaillierte Studien der galaktischen Röntgendoppelsterne sind extrem schwierig,
selbst wenn man sich nur auf die allerneusten Studien beschränkt. Zwei Effekte sind dafür
verantwortlich: zum einen gibt es große Unsicherheiten bei der Entfernungsbestimmung zu
diesen Systemen und die begrenzte Empfindlichkeit der vorhandenen Röntgenteleskope
schränken unserer Sicht auf diese Sterne außerhalb des galaktischen Zentrums stark
ein; zum anderen sind diese Quellen sehr variabel, d.h. ihre Helligkeit unterliegt starken
Schwankungen. Das heißt, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt immer nur einige dieser
Quellen aktiv und sichtbar sind. Wenn wir nun aber den Streuanteil der beobachteten
nicht aufgelösten GRXE mit beobachteten oder simulierten Daten zu galaktischen
Röntgendoppelsternen vergleichen, sind wir in der Lage, indirekt Rückschlüsse auf die
Eigenschaften der Röntgenquellen in der Milchstraße zu ziehen.
Da das Streulicht im Vergleich zu Licht, das direkt von Punktquellen ausgesendet wird, einen
längeren Weg zum Beobachter zurücklegt, hängt die Streukomponente der GRXE auch
von der gesamten Röntgenaktivität der Galaxie in den letzten 10.000 bis 30.000 Jahren
ab. Studien des relativen Beitrages der Streukomponente zur GRXE werden es uns daher
ermöglichen, etwas über die Geschichte der galaktischen Röntgenstrahlung in diesem
Zeitraum zu erfahren.
Diese Forschungen eröffnen also einen neuen Weg, wie die GRXE, deren Ursprung vielleicht
noch facettenreicher ist als ursprünglich angenommen, uns mit einer Fülle von Informationen
zu den hellen und schwachen Röntgenquellen, die unsere Galaxie bevölkern, versorgen
kann.
Die Strahlung der Röntgendoppelsterne wird nicht nur gestreut, sondern auch von den Atomen und Molekülen absorbiert
und trägt daher zum Aufheizen des interstellaren Gases bei.
Die energieärmeren Ultraviolette-Photonen leisten den Hauptbeitrag beim Heizen von diffusen interstellaren Wolken.
Während diese Photonen aber in den äusseren Schichten von dichten Molekülwolken absorbiert werden, können
Röntgenphotonen tief in sie eindringen.
Wir konnten bestimmen, dass Röntgendoppelsterne einen erheblichen Beitrag zum Aufheizen des interstellaren Gases
leisten. Dies weist daraufhin, dass diese Strahlungsquellen bei der Bestimmung der mehrschichtigen Struktur
des interstellaren Gases eine Schlüsselrolle spielen könnten.
Margherita Molaro, Rishi Khatri, Rashid Sunyaev
References:
1) Revnivtsev, M., Sazonov, S., Churazov, E., Forman, W., Vikhlinin, A.,
Sunyaev, R., "Discrete sources as the origin of the Galactic X-ray ridge
emission", Nature, 458, 7242, pp.1142-1144,2009
2) Molaro, M., Khatri, R., Sunyaev, R., "A thin diffuse component of the
Galactic ridge X-ray emission and heating of the interstellar medium
contributed by the radiation of Galactic X-ray binaries", Astronomy &
Astrophysics, 564, A107, 2014
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