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Abb. 1:
Das Very Large Array (VLA) steht auf der Ebene von San Augustin nahe
Socorro, New Mexico, und besteht aus 27 Radioteleskopen, bei denen
jede Antenne einen Durchmesser von 25 Metern und ein Gewicht von über
200 Tonnen besitzt. Die Daten aller Antennen können elektronisch
zusammengeführt werden, so dass die Anlage wie eine einzige riesige
Antenne funktioniert.
Image courtesy of NRAO/AUI
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Abb. 2:
Dieses Falschfarbenbild zeigt die Region um den Supernovaüberrest W28,
die mit dem VLA gemessene Radiostrahlung ist in blau dargestellt. Die
relativ kompakten Objekt nördlich und südlich von W28 sind Wolken aus
ionisiertem Wasserstoff, die nicht direkt mit dem Überrest
zusammenhängen. Mit dem neuen Bildgebungsverfahren wird es sehr viel
einfacher sein, interferometrische Aufnahmen von derartigen Quellen zu
rekonstruieren.
Credit: NRAO/AUI/NSF and Brogan et al.
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Abb. 3:
Simulierte Beobachtung eines Galaxienhaufens mit dem VLA. Das Bild oben
links zeigt das (reale) Eingangsbild, das Bild oben rechts die
Rekonstruktion mit RESOLVE. Das Bild unten links zeigt eine
Rekonstruktion mit einem Standardalgorithmus (CLEAN), das Bild unten
rechts zeigt die relative Unsicherheit der Rekonstruktion, beachten Sie
hier die neue Skala.
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Mit Hilfe von Radiointerferometern blicken Wissenschaftler heute tief
ins Universum und produzieren hoch aufgelöste Bilder von ganz
unterschiedlichen Himmelsquellen, von der Sonne, über Pulsare und
interstellarem Gas in unserer Milchstraße, bis hin zu weit entfernten
Radiogalaxien und Quasaren. Die große Auflösung auf den Radiobildern
zeigt bei diesen Quellen oft eine komplexe und ausgedehnte Struktur.
Tatsächlich stammt die Radioemission der Himmelsobjekte meist von weit
ausgedehnten kosmischen Plasmawolken, die oft nur schwach
glimmen. Damit sind solche ausgedehnten Emissionsregionen schwer zu
detektieren, da sie von unerwünschten Störquellen getrennt werden
müssen, wie z.B. von elektronischem Rauschen von technischen Geräten
auf der Erde oder atmosphärischen Effekten.
Zudem ist die Bildgebung in der Radiointerferometrie grundsätzlich
ungleich komplizierter als mit einem herkömmlichen Einzelteleskop. Ein
Interferometer misst die Himmelsquelle nämlich nicht direkt, die
Signale werden (meist elektronisch) überlagert. Um aus diesen Daten
das Himmelssignal zurückzuerhalten, muss eine sogenannte
Fouriertransformation angewandt werden, was in komplizierten
Berechnungen am Computer passiert. Leider haben die dafür
normalerweise verwendeten Methoden den Nachteil, dass sie für schwache
und ausgedehnte Emission meist nur unzuverlässige Resultate
liefern. Außerdem ist aufgrund der komplizierten interferometrischen
Beobachtung meist keine Abschätzung der Messunsicherheit möglich.
Zwei Veröffentlichungen stellen nun den neuen Bildgebungsalgorithmus
RESOLVE (Englisch für "Radio Extended Sources Lognormal Deconvolution
Estimator") vor, welcher genau diese Probleme herkömmlicher Methoden
behebt. RESOLVE nutzt ein statistisches Verfahren bei dem die
wahrscheinlichste Bildrekonstruktion ermittelt wird, die mit den
aufgenommenen Daten kompatibel ist. Dabei macht sich der Algorithmus
das vage Vorwissen des Beobachters über die Art des Himmelsobjekts -
in diesem Fall also eine ausgedehnte Quelle - zu Nutze, um zwischen
guten und schlechten Rekonstruktionen zu unterscheiden. Konkret nimmt
RESOLVE an, dass die Radiohelligkeit sich nicht abrupt von einem Ort
zum nächsten ändert, sondern dass sich innerhalb eines Gesichtsfeldes
über mehrere Pixel zusammenhängende, statistisch ähnliche Strukturen
finden lassen, die aber vor der Messung nicht genau bekannt sein
müssen. Dies wird mathematisch durch eine sogenannte räumliche
Korrelationsfunktion ausgedrückt, die zu Beginn der Rekonstruktion im
Allgemeinen unbekannt ist.
RESOLVE kann nun grob in zwei unterschiedliche Arbeitsabschnitte
eingeteilt werden. Im ersten Schritt wird statistisch die
wahrscheinlichste Rekonstruktion ermittelt, die mit der Annahme einer
ausgedehnten Quelle vereinbar ist. Die räumliche Korrelationsfunktion
wird in diesem Schritt von RESOLVE als bekannt vorausgesetzt und
bestimmt somit maßgeblich die Bildrekonstruktion. In einem zweiten
Schritt wird diese Korrelationsstruktur aus der gerade ermittelten
Bildrekonstruktion neu bestimmt. RESOLVE wiederholt nun beide Schritte
bis eine statistisch optimale Rekonstruktion erreicht ist. Am Ende
wird aus dem Endergebnis noch eine Karte der Messungenauigkeit
erstellt.
Das Verfahren kann auch auf Beobachtungen mit verschiedenen
Wellenlängen ausgeweitet werden. Dabei wird zusätzlich noch die
spektrale Abhängigkeit der Emission in jedem Bildpixel mit einem ganz
ähnlichen Verfahren bestimmt.
Simulierte Rekonstruktionen mit RESOLVE zeigen, dass es damit möglich
ist aus qualitativ hochwertigen Interferometerdaten die komplexe
Messung eines Interferometers statistisch nahezu vollständig
zurückzurechnen und damit gleichzeitig die Struktur ausgedehnter
Radioquellen in höchster Präzision auszumessen. Das gemessene Signal
wird dabei von Messrauschen befreit und auch erstmals eine Abschätzung
der Messungenauigkeit angegeben. Mögliche Anwendungsgebiete dieser
Methode in der beobachtenden Radioastronomie reichen von einzelnen
Objekten der Milchstraße wie den Überresten von explodierten Sternen,
über Radiogalaxien bis hin zu Galaxienhaufen. Die neuen
Bildrekonstruktionen werden einen schärferen Blick auf den Radiohimmel
ermöglichen.
Henrik Junklewitz, Michael Bell und Torsten Enßlin
REFERENCES
Henrik Junklewitz, Michael Bell, Marco Selig and Torsten Enßlin,
"RESOLVE: A new algorithm for aperture synthesis imaging in radio astronomy",
submitted to A&A
http://arxiv.org/abs/1311.5282
Henrik Junklewitz, Michael Bell and Torsten Enßlin,
"A new approach to multi-frequency imaging in radio interferometry",
submitted to A&A
http://arxiv.org/abs/1401.4711
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