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Abb. 1:
Darstellung der Struktur von vier Galaxien in unserer Stichprobe mit
zunehmender Rotation. Die linken und rechten Spalten zeigen jeweils eine
Sicht der Sternverteilung von der Seite bzw. von oben. Der gelbe Kreis
deutet den Radius an, der verwendet wurde, um die Galaxie zu definieren.
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Abb. 2:
Diese Abfolge von Bildern zeigt, wie sich eine scheibendominierte
Galaxie in unseren Simulationen im Laufe der Zeit bildet. Zu frühen
Zeiten ist das proto-galaktische Material über große Regionen
verteilt, Gas ist in rot und Sterne sind in gelb dargestellt. Baryonen
klumpen in immer größeren Einheiten zusammen, bis alles
zusammenstürzt um schließlich ein einzelnes Objekt zu bilden, das man
heute sieht.
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Abb. 3:
Für die Galaxien B und D in Abb. 1 zeigen diese Diagramme die
projizierte Teilchenverteilung vor etwa 10 Milliarden Jahren. Sterne,
die sich bereits gebildet haben, sind rot dargestellt, Gasteilchen in
blau. Konzentrische Kreise umschließen 20%, 50% und 95% der Masse, und
Pfeile deuten den Drehimpuls des gesamten Materials an, das in dem
jeweiligen Radius eingeschlossen ist. Die Pfeillängen sind auf den
Gesamtdrehimpuls normiert, der auch die z-Achse definiert. Beachten Sie
die unterschiedlichen Richtungen für den Drehimpuls der verschiedenen
Teile des Systems für die elliptisch dominierte Galaxie B. Im Fall der
scheibendominierten Galaxien D ist der Drehimpuls kohärenter.
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Galaxien zeigen spektakulär unterschiedliche Morphologien, von
elliptischen bis zu Scheiben- und Balkengalaxien, mit Spiralarmen und
einem regelrechten Zoo an irregulären Formen. Bis vor kurzem dachten
Astrophysiker, dass die allgemeinen morphologischen Eigenschaften
einer Galaxie durch ihre Entstehungsgeschichte und den
Netto-Drehimpuls des umgebenden Halos aus Dunkler Materie bestimmt
werden: Verschmelzende Galaxien führen zu frühen, elliptischen
Galaxien; Scheiben entstehen in ruhig wachsenden Halos, deren
Drehimpuls im Mittel über dem Durchschnitt liegt. Aufgrund des hohen
Rechenaufwands von numerischen Simulationen beruhten die meisten neuen
Erkenntnisse in Bezug auf Morphologien auf wenigen einzelnen Systemen.
Dank der gemeinsamen Anstrengungen mehrerer Forschungsteams in Europa,
die im Rahmen des "Virgo-Konsortiums" zusammenarbeiten, konnten wir
zum ersten Mal die Morphologie und Evolution einer Vielzahl an
simulierten Galaxien untersuchen, die sich im Rahmen des
Standardmodells der Kosmologie entwickeln. Wir konzentrierten unsere
Aufmerksamkeit dabei auf Objekte ähnlich unserer eigenen Galaxie, der
Milchstraße, und erforschten den Aufbau von 100 Objekten, die wir ohne
Vorbedingungen aus großen, repräsentativen Regionen des Universums
gewählt haben. Dafür verwenden wir Simulationen, die die Entwicklung
von dunkler Materie, Gas und Sternen verfolgen, die sich in großen
Regionen über kosmische Zeitskalen hinweg bilden.
Wie Abb. 1 gezeigt, weisen unsere simulierten Galaxien eine Vielzahl
von Morphologien auf, von dispersionsdominierten elliptischen Galaxien
(oben) zu reinen Scheibengalaxien (unten). Numerische Simulationen
sind ein leistungsfähiges Werkzeug, weil sie es uns erlauben, die
gesamte zeitliche Entwicklung der einzelnen Objekte zu verfolgen. So
erhalten wir grundlegende Erkenntnisse über die physikalischen
Mechanismen, die eine Galaxie formen. So zeigt Abb. 2 als Beispiel die
verschiedenen Stufen im Aufbau eines unserer simulierten
Objekte. Verschiedene Momentaufnahmen zeigen die Verteilung von Gas
(rot) und Sternen (gelb), die im Laufe der Entwicklung zusammenstürzen
und so heute eine realistisch aussehende scheibendominierte Galaxie
bilden.
Um die Morphologien zu quantifizieren, verwenden wir einen dynamischen
Indikator, der den Anteil der kinetischen Energie von Sternen angibt,
die sich in einer geordneten Rotation um eine gut definierte Achse
befinden. Dieser Bruchteil ist für scheibendominierte Galaxien groß,
da sich hier die meisten Sterne in der gleichen Ebene und nahezu auf
Kreisbahnen bewegen. Andererseits ist er praktisch Null für
ellipsenähnliche Objekte, bei denen die Dynamik von Dispersion und
nicht durch Rotation dominiert wird.
Diese Klassifizierung ermöglicht es uns, die Korrelationen zwischen
der Galaxienmorphologie und den Eigenschaften ihrer Halos aus dunkler
Materie systematisch zu untersuchen. Entgegen der landläufigen Meinung
finden wir, dass Verschmelzungen und der Drehimpuls der Halos aus
dunkler Materie sich nur wenig auf die Morphologie ihrer zentralen
Galaxien auswirken. Ein interessanter Hinweis kommt allerdings aus
einem anderen Zusammenhang: Scheiben bilden sich bevorzugt in Objekten
mit einem großen Beitrag von Gas, das sich aus der „heißen Korona“
abgekühlt hat, während bei Sternen, die aus kalten Gasströmen geboren
wurden, eher Ellipsen vorherrschen – diese Ströme liefern das Material
direkt die zentralen Regionen des Halos.
Die Drehimpulseigenschaften des Materials, das „heiß“ oder „kalt“ von
der Galaxie geschluckt wird, sollten sich unterscheiden: Gas in der
heißen Korona muss seinen Drehimpuls erst angleichen, bevor es auf die
zentralen Galaxie akkretieren kann, während kaltes Gas ungehindert in
die Zentren der Galaxien fließen kann, wodurch es seinen intrinsischen
Drehimpuls mitbringt. Deshalb suchen wir in der ursprünglichen
Drehimpulsverteilung unserer Galaxien nach weiteren Hinweisen auf ihre
Morphologien. Da der Drehimpuls des Ausgangsmaterials einer Galaxie
festgelegt wird, sobald das Objekt von der Expansion des Universums
(vor etwa 10 Milliarden Jahren) entkoppelt, und danach in etwa
konstant bleibt, untersuchen wir, wie sich der Drehimpuls unserer
Galaxien zu sehr frühen Zeiten verteilt, noch bevor sich die Galaxien
gebildet haben.
Überraschenderweise zeigten die elliptisch bzw. scheibendominierten
Galaxien dabei sehr unterschiedliche Verhaltensweisen. Während die
verschiedenen Teile des Systems für Objekte, die sich zu Ellipsen
entwickeln, deutlich unterschiedliche Ausrichtungen bei ihrem
Drehimpuls zeigten (Abb. 3 links), sind die Drehimpulse bei den
verschiedenen Kugelschalen in scheibendominierten Galaxien erstaunlich
gut ausgerichtet (Abb. 3 rechts). Diese Ergebnisse gelten für alle
untersuchten Galaxien und sind keine Besonderheit dieser beiden
Beispielgalaxien.
In dem Szenario, das wir vorschlagen, bestimmt damit nicht nur der
Netto-Drehimpuls die Morphologie der Galaxien sondern auch seine
Verteilung über die Proto-Galaxie hinweg. Gas von weiter außen braucht
länger um auf die Galaxie zu stürzen, deshalb wird der Drehimpuls
dieses Materials anders ausgerichtet sein als der Rest. Sterne aus
diesem Gas werden dazu neigen, eine eventuell bereits bestehende
Scheibe zu destabilisieren und einen Netto-Drehimpuls des Systems
auszugleichen, so dass nur noch eine langsam rotierende stellare
elliptische Galaxie übrig bleibt. Dies ist ein neuer Mechanismus für
die Bildung von elliptischen Galaxien der nicht auf Verschmelzungen
beruht. Andererseits zeigen die scheibendominierten Objekte ganz am
Anfang ihrer Entwicklung eine Kohärenz des Drehimpulses, wodurch sich
das neu hinzukommende Material in einer stabilen Scheibe ablagert, wo
Sternentstehung schrittweise und reibungslos ablaufen kann.
Diese Überlegungen deuten darauf hin, dass die endgültige Morphologie
einer Galaxie bereits früh für jedes Objekt festgelegt ist, noch bevor
die Galaxie geboren wird.
Laura V. Sales, Julio F. Navarro, Tom Theuns, Joop Schaye,
Simon D. M. White, Carlos S. Frenk, Robert A. Crain
and Claudio Dalla Vecchia
Veröffentlichungen
Crain, R.~A., Theuns, T., Dalla Vecchia, C., et al,
“Galaxies–intergalactic medium interaction calculation – I. Galaxy
formation as a function of large-scale environment”,
2009, MNRAS, 399, 1773
Sales, L.~V., Navarro, J.~F., Theuns, T., J. Schaye, S. White, et al,
“The Origin of Disks and Spheroids in Simulated Galaxies”,
2011,
arXiv:1112.2220
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