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Man stelle sich einen sonnigen Tag im Schwimmbad vor. Ein Blick auf den
Grund des Schwimmbeckens eröffnet die Sicht auf ein fortwährend
bewegtes Muster von Linien hellen Lichtes. Diese Strukturen sind
sogenannte optische Kaustiken, die dadurch zu Stande kommen, dass das
Sonnenlicht bei der Brechung an der Wasseroberfläche auf einzelne
Linien fokussiert wird. Die unruhige Oberfläche bringt das Licht also
dazu, sich nur an bestimmten Stellen des Beckengrundes zu konzentrieren,
statt einfach den ganzen Boden gleichmäßig auszuleuchten.
Aber was hat das alles nun mit Astrophysik zu tun? Vor kurzem haben
Michael Bell, Henrik Junklewitz und Torsten Enßlin vom
Max-Planck-Institut für Astrophysik gezeigt, dass es ganz ähnliche
Erscheinungen auch in der polarisierter Radiostrahlung unserer Galaxie
geben sollte und tauften diese Strukturen "Faradaykaustiken".
Faradaykaustiken sollen in den drei-dimensionalen Magnetfeldbildern
der nächsten Generation von Radioteleskopen sichtbar werden. Genauso
wie sich aus den Lichtkaustiken am Grund eines Wasserbeckens die
Stärke und Größe der Wellen an der Wasseroberfläche ablesen lassen,
sollten die Faradaykaustiken Eigenheiten der Struktur von galaktischen
Magnetfeldern zeigen. Eine solche Kaustik zeigt an, dass das
galaktische Magnetfeld entlang der Sichtrichtung seine eigene Richtung
ändert. Die Beobachtungen der Kaustiken würde es daher ermöglichen,
die Struktur des Magnetfeldes genauer zu vermessen und damit
möglicherweise seine noch unbekannte Entstehung zu erhellen.
Magnetfelder sind nahezu allgegenwärtig im Universum. Sie werden unter
anderem in Planeten und Sternen erzeugt, durchdringen aber auch die
größten kosmischen Strukturen wie Galaxien und Galaxienhaufen. Obwohl
die Existenz kosmischer Magnetfelder in vielen Regionen des Weltalls
außer Frage steht, ist ihre genaue Vermessung äußerst schwierig. Der
Effekt der Faradayrotation erlaubt es Magnetfeldeigenschaften auf die
Spur zu kommen. Dabei wird die Polarisationsebene einer aus dem Kosmos
stammenden Radiowelle gedreht, sobald diese ein magnetisiertes
ionisiertes Gas durchquert. Die Stärke der Rotation hängt von den
Eigenschaften des Magnetfeldes und der Beobachtungsfrequenz ab. Da
diese Rotation durch Messungen bei verschiedenen Frequenzen gut
bestimmbar ist, ist die Faradayrotation ein sehr nützliches Instrument
zur Erforschung kosmischer Magnetfelder.
Die Astronomen haben allerdings das Problem, dass die aus einer
Richtung empfangene Strahlung von zwei verschieden weit entfernten
Radioquellen stammen könnte. Deren Strahlung ist durch
unterschiedliche Magnetfelder gereist und hat daher unterschiedliche
Faradayrotationen erfahren. Wie können die Astronomen diese Quellen
auseinanderhalten?
Die Lösung liegt in der neuen Messmethode der
"Faradayrotationssynthese". Diese kann auf spektral hochaufgelöste
Daten der nächsten Generation von Radioteleskopen angewendet
werden. Bei dieser Technik wird dieselbe mathematische Methode
angewandt, nach der man auch ein komplexes akustisches Signal, wie
z.B. ein Lied, in seine unterschiedlichen Spektralanteile oder
Tonhöhen zerlegen kann. Aus der Messung polarisierter Radiostrahlung
kann man dann ganz analog ein "Faradayspektrum" gewinnen. Dieses
stellt eine Zerlegung der polarisierten Strahlung in die Anteile dar,
die durch Faradayrotation unterschiedlich stark verdreht wurden.
In genau diesem Spektrum werden nun die Faradaykaustiken als
prominente Strukturen erwartet. Die Wissenschaftler des
Max-Planck-Institutes zeigten, dass Kaustiken polarisierter Strahlung
entstehen, wann immer kosmische Magnetfelder in Sichtrichtung ihre
Richtung umkehren. Solche Wechsel in der Feldrichtung sind ein
häufiges Ereignis in turbulenten, astrophysikalischen
Umgebungen. Demnach erwartet man, dass die Faradaykaustiken ein
typisches Muster in den nun kommenden Beobachtungen sein
sollten. Damit können dann räumliche und statistische Eigenschaften
kosmischer Magnetfelder anhand von Faradaykaustiken gewonnen
werden.
Mit passenden zukünftigen Beobachtungen, zum Beispiel mit dem
gerade entstehenden europäischen LOFAR-Teleskopverbund an dem sich das
Max-Planck-Institut für Astrophysik beteiligt, könnten daher neue
Erkenntnisse über kosmische Magnetfelder gewonnen werden, die es
vielleicht ermöglichen deren noch immer nicht verstandenen Ursprung zu
entschlüsseln. Dies ist das erklärte Forschungsziel des durch die
Deutsche Forschergemeinschaft finanzierte Forschergruppe zur
"Magnetisierung des interstellaren und intergalaktischen Mediums", der
Michael Bell, Henrik Junklewitz und Torsten Enßlin angehören.
Michael Bell, Henrik Junklewitz und Torsten Enßlin
Weitere Links
LOFAR Telescope Array
LOFAR in Deutschland
MPA LOFAR Project
Research group about "Magnetisation of Interstellar and Intergalactic Media"
Originalveröffentlichung
M. R. Bell, H. Junklewitz, T. A. Enßlin,
"Faraday caustics: Singularities in the Faraday spectrum and their utility as probes of magnetic field properties",
submitted to A&A.
http://arxiv.org/abs/1105.2693
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