| |
Die Entstehung und Entwicklung aller Objekte im Universum,
Galaxien, Sterne, dem interstellaren Gas und Staub,
Planetensysteme und sogar des Lebens sind eng mit dem
Ursprung und der Entwicklung der chemischen Elemente
und damit dem kosmischen Materiekreislauf verbunden.
Theorien zu diesen Vorgängen müssen deshalb an bestimmten
Referenzwerten für die chemischen Häufigkeiten festgemacht
werden; traditionell werden hierfür die Werte der Sonne
verwendet. Wenn nun aber die gegenwärtigen Elementhäufigkeiten
in der kosmischen Materie von Interesse sind, so stellen B-Sterne
bessere Indikatoren dar. Mit ihrer Hilfe kann man die gegenwärtigen
Elementhäufigkeiten räumlich genau bestimmen und bekommt damit eine
Momentaufnahme der chemischen Zusammensetzung naher Sternentstehungsgebiete.
B-Sterne sind auch bessere Häufigkeitsindikatoren als andere Objekte,
die mit der Entstehung massereicher Sterne einhergehen: HII-Regionen.
In diesen leuchtkräftigen Gasnebeln sind schwere Elemente teilweise
unterrepräsentiert, da sie sich an Staubkörnchen anlagern - ein Effekt
der schwer quantifizierbar ist.
Nieva und Przybilla haben eine umfassende Studie einiger sorgfältig
ausgewählter früher B-Sterne in der Sonnenumgebung durchgeführt,
die in Abb. 1 schematisch dargestellt ist. Verschiedene Teleskope
auf der Nord- und Südhalbkugel wurden genutzt um qualitativ
hochwertige Spektren der Sterne zu erhalten. Diese neuen Daten
wurden mit ausgefeilten Modellen untersucht, die Effekte des
nichtlokalen thermodynamischen Gleichgewichts berücksichtigen.
Durch Einsatz einer selbst-konsistenten Analysemethode konnten
die chemischen Häufigkeiten dieser 29 massereichen Sterne dann mit
einer beispiellosen Genauigkeit bestimmt werden.
Ein sehr überraschendes Ergebnis ist, dass die untersuchten Sterne eine
sehr große chemische Homogenität aufweisen (mit Unterschieden von nur
etwa 10%, siehe Abb. 2). Dieses Ergebnis hängt weder von ihrer Position,
ihrer Zugehörigkeit zu einer OB-Assoziation oder ihrem Status als Feldstern,
noch von ihrer Temperatur (15000 bis 35000 K), Masse (6 bis 20 Sonnenmassen)
oder ihrem Alter (etwa 5 bis 50 Millionen Jahre) ab. Diese große chemische
Homogenität passt hervorragend zu Studien der Absorptionslinien im
interstellaren Medium, steht aber im Widerspruch zu allen vorherigen
Arbeiten über B-Sterne in der galaktischen Nachbarschaft, die bisher
Unterschiede um einen Faktor 2 bis 3 in den Elementhäufigkeiten fanden.
Aufgrund dieser Homogenität schlagen Nieva und Przybilla einen gegenwärtigen
kosmischen Häufigkeitsstandard (CAS vom englischen "cosmic abundance standard")
vor, der auf B-Sternen in der galaktischen Nachbarschaft beruht. Vergleicht
man diese Werte mit den ähnlich genauen Werten für die solaren Häufigkeiten,
so kann man für einzelne Elemente Ähnlichkeiten oder Unterschiede feststellen,
die in vielerlei Hinsicht für die astrophysikalische Forschung von
Bedeutung sind. Einige Beispiele werden hier genannt.
Einen entscheidenden Test zur Entwicklung massereicher Sterne haben alle
diese Objekte zum ersten Mal erfolgreich bestanden. Bei den jetzt
untersuchten B-Sternen folgen die Elementhäufigkeiten von Kohlenstoff,
Stickstoff und Sauerstoff an der Oberfläche sehr genau dem erwarteten
nuklearen Pfad, der durch den CNO-Zyklus für die ursprünglichen CAS-Werte
vorgegeben wird.
Die CAS-Werte erlauben es auch, die Zusammensetzung des lokalen
interstellaren Mediums (ISM) und seiner Entwicklung im Detail zu studieren.
Vergleicht man die Häufigkeiten des Gases im ISM mit den CAS-Werten,
so kann die Menge an schweren Elementen abgeschätzt werden, die im
interstellaren Staub steckt. Außerdem gibt eine derartige Studie auch
wichtige Ergebnisse, auf welchen Zeitskalen Metalle ins ISM eingebracht
und mit dem vorhandenen Material durchmischt werden.
Da der CAS das gegenwärtige Ende der chemischen Entwicklung in unserer
Galaxie darstellt, gibt er höchst genaue Referenzwerte für Modelle der
Galaxienentwicklung vor (Abb. 3). Die Fortschritte, die bei der spektralen
Modellierung der B-Sterne gemacht wurden, werden in der kleineren Streuung
der Häufigkeitswerte deutlich. Frühe B-Sterne werden damit wertvolle
Präzisionswerkzeuge für die Astrophysik. Zusammen mit unterschiedlich
alten, sonnenähnlichen Sternen passt der CAS somit sehr gut in das
gängige Bild der Nukleosynthese auf kosmischen Zeitskalen.
Beim Vergleich des CAS mit Häufigkeiten der Sonne zeigen sich die größten
Unterschiede beim C/O-Verhältnis, das um etwa 50% abweicht. Andererseits
stimmen CAS und solare Werte für Elemente wie Magnesium, Silizium oder
Eisen überraschenderweise überein (siehe Abb. 2). Diese Elemente sollten
heute angereichert sein, da die Nukleosynthese seit der Entstehung der
Sonne andauert. Dies deutet darauf hin, dass die Sonne und wahrscheinlich
auch viele andere alte Sterne der näheren Umgebung sich nicht hier gebildet
haben sondern eingewandert sind. Dies unterstützt ein anderes, kürzlich
veröffentlichtes Ergebnis von Kollegen am MPA
Die Geschichte unserer Milchstraße, dass die Wanderung
von Sternen von essentieller Bedeutung für die galaktische Entwicklung ist.
Maria Fernanda Nieva and Norbert Przybilla
Referenzen
Nieva, M. F. and Przybilla, N., "Present-Day Cosmic Abundances. A comprehensive study of nearby early B-type stars and implications for stellar and Galactic evolution", eingereicht bei Astronomy and Astrophysics
Nieva, M. F. and Simon-Diaz, S., 2011, "The chemical composition of the Orion star-forming region. III. C, N, Ne, Mg and Fe abundances in B-type stars revisited", Astronomy and Astrophysics, in Druck
|