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Nach Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie strahlt ein
Doppelsternsystem aus zwei Neutronensternen einen Teil seiner
Bahnenergie und seines Drehimpulses in Form von Gravitationswellen
ab. Die Sterne nähern sich deshalb immer weiter an, bis sie
miteinander verschmelzen. Dabei bildet sich ein schwarzes Loch, das
den größten Teil der Materie sofort aufsaugt. Ein kleiner Teil des
Gases bildet vor seinem Verschwinden im Schwarzen Loch aber für kurze
Zeit einen rotierenden Gasring. In weniger als einer Sekunde fällt
auch dieser Überrest in das Schwarze Loch und beschleunigt dabei
extrem schnelle Plasmajets (ähnlich einem riesigen, gewaltigen
Geysir), die später eine Quelle intensiver Gammastrahlung darstellen,
einen sogenannten kurzen Gammastrahlenblitz (engl. “gamma-ray
burst”, GRB).
Die meisten Neutronensterne besitzen ein Magnetfeld, das bei Pulsaren
direkt gemessen werden kann. Dieses könnte im Prinzip den
Verschmelzungsvorgang beeinflussen. Dramatische Effekte treten nur bei
Feldstärken auf, die weit über allen beobachteten Werten liegen,
stärker sogar noch als die 100 Billionen Gauss der sogenannten
Magnetare, der am stärksten magnetisierten Neutronensterne. Etwas
schwächere Effekte könnten allerdings schon bei geringeren Feldstärken
auftreten, falls das Feld während der Verschmelzung verstärkt wird.
Sobald die Neutronensterne aufeinander treffen, entsteht eine dünne
Schicht, in der das Gas schnell in entgegengesetzter Richtung
strömt. Diese Kontaktschicht ist instabil gegen die sogenannte
Scherinstabilität. Nach kurzer Zeit bilden sich ungefähr kreisförmige
Wirbel (siehe Abb. 1). In das Gas eingebettete magnetische Feldlinien
werden durch die Wirbelströmung gedehnt und somit verstärkt - so wie
die Spannung eines Gummibandes zunimmt, wenn man daran zieht. D. Price
und S. Rosswog haben in einer früheren Arbeit abgeschätzt, dass das
Magnetfeld auf diese Weise Werte von über 1000 Billionen Gauss
erreichen kann; damit wären verschmelzende Neutronensterne die bei
weitem stärksten Magnete im All.
Will man die Wechselwirkung zwischen dem Gas und dem Magnetfeld
simulieren, so muss man äußerst kleine Längenskalen im Vergleich zur
typischen Ausdehnung von Neutronensternen (von etwa 10 Kilometern)
sehr genau abbilden, was einen großen Rechenaufwand erfordert. Will
man andererseits die Bewegung der Neutronensterne insgesamt
nachvollziehen, so muss man ein großes Gebiet (das beide Sterne
umfasst) simulieren. Auch wenn in diesem Fall die extrem hohe
Genauigkeit nur in einem kleinen Teil der Simulation benötigt wird,
sind Simulationen der gesamten Neutronensternverschmelzung, die die
magnetische Turbulenz in der Kontaktfläche genau beschreiben,
gegenwärtig nicht möglich.
Modelle der Verschmelzung, die auch die letzte Phase der Annäherung,
bevor sich die Neutronensterne berühren, umfassen, sind daher nicht
imstande, einen genauen Wert für die zu erwartenden Feldstärken zu
bestimmen, auch wenn sie in anderer Hinsicht eine recht gute
Beschreibung der Vorgänge liefern. Wissenschaftler vom
Max-Planck-Institut für Astrophysik und der Universität Valencia
führten deshalb Simulationen von magnetischen Scherströmungen durch,
die denen in verschmelzenden Neutronensternen gleichen. Sie
beschränkten sich dabei auf ein Gebiet von wenigen hundert Metern um
die Kontaktfläche, simulierten also nur eine kleine Region der
gesamten Verschmelzung, die sich über einige 10 Kilometer erstreckt.
Der Gasfluss ist instabil. Das Magnetfeld wächst anfangs zusammen mit
der Scherinstabilität sehr rasch an. Bald entsteht allerdings ein
Wirbel und das Wachstum der Scherinstabilität endet, wohingegen das
Magnetfeld weiterhin verstärkt wird, da die Wirbelbewegung die
Feldlinien dehnt (siehe Abb. 2).
Das Magnetfeld beeinflusst die Gasströmung nur dann nennenswert, wenn
seine Energie der Bewegungsenergie des Gases vergleichbar ist. Das
Magnetfeld ist in diesem Fall stark genug, einer weiteren Dehnung zu
widerstehen und seinerseits Kräfte auf die Materie auszuüben. Aufgrund
dieses Widerstands verlangsamt sich die Umdrehung des Wirbels und das
Feld wird somit nicht weiter verstärkt. Im Extremfall wird der Wirbel
sogar völlig aufgelöst (siehe Abb. 3). In dieser Phase nimmt das
Magnetfeld wieder ab, zum einen, weil seine Energie das Gas abbremst,
zum anderen, weil es in sekundären Instabilität abgebaut wird.
Die maximal erreichbare Feldstärke hängt nur von der Scherströmung,
nicht aber vom Anfangsfeld ab. Allerdings vollzieht sich das
Feldwachstum nicht gleichförmig in der gesamten instabilen und
turbulenten Scherströmung. Ein starkes Magnetfeld wächst nur in
kleinen, isolierten Gebieten. Der Rest der Kontaktschicht behält sein
anfängliches, schwaches Feld bei (siehe Abb. 4). Aus diesem Grund ist
der Mittelwert des Magnetfeldes geringer, je schwächer das Feld am
Anfang der Simulation ist. Die Rückwirkung des Magnetfeldes auf das
Gas läuft daher für ein schwaches Anfangsfeld deutlich langsamer ab
als für ein starkes.
Übertragen auf die Scherströmung in verschmelzenden Neutronensternen
bedeuten diese Ergebnisse, dass in der Tat ein extrem hoher
Maximalwert des Magnetfeldes zu erwarten ist, auch wenn beide
Neutronensterne nur schwach magnetisiert sind. Allerdings ist der
Einfluss, den das Feld auf die Materie ausübt, örtlich begrenzt, da
das starke Magnetfeld nur einen kleinen Teil des gesamten Volumens
erfasst.
Martin Obergaulinger, Miguel Angel Aloy, Ewald Müller
Die Simulationen wurden am Rechenzentrum Garching (RZG) und am
Barcelona Supercomputing Center - Centro Nacional de Supercomputación
durchgeführt.
Originalveröffentlichung
M. Obergaulinger, M.A. Aloy, E. Müller,
"Local simulations of the magnetized Kelvin-Helmholtz instability in neutron-star mergers",
Astronomy & Astrophysics 515 (2010), id.A30
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