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Abb. 1:
UV/optisches Farben-Helligkeitsdiagramm; Galaxien mit
Sternentstehung sind blau, sich passiv entwickelnde elliptische
Galaxien rot und Galaxien im Übergangsstadium grün
eingefärbt.
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Abb. 2:
Beispiele für Galaxien, die mit GASS nachgewiesen (links)
bzw. nicht nachgewiesen (rechts) wurden. Für jede Galaxie sind
das SDSS-Bild (mit einer Seitenlänge von einer Bogenminute) sowie
das HI-Linienprofil gezeigt, das mit Arecibo gemessen wurde. Die
gepunktete Linie bezeichnet die heliozentrische Geschwindigkeit, die
der SDSS-Rotverschiebung entspricht.
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Abb. 3:
GASS Ergebnisse: Diese Abbildung zeigt die durchschnittlichen
Trends für den HI-Massenanteil als Funktion der Sternmasse, der
Oberflächendichte der Sternmasse, des Konzentrationsindex, sowie
der NUV-r-Farbe für die GASS Galaxien. In jedem Feld deuten die
großen Kreise mittlere Gasanteile an. Diese wurden berechnet,
indem auch Galaxien einbezogen wurden, die nicht mit Arecibo
nachgewiesen werden konnten, wobei für ihre HI-Masse entweder die
Obergrenze (dunkelgrün) oder Null (rot) angenommen
wurde. Grüne Dreiecke stellen den Median dar. Die mittlere Anzahl
an Galaxien für jede Mittelung ist über der x-Achse
angegeben. Die gestrichelte Linie im Bild oben links zeigt die
Nachweisgrenze für HI im GASS Survey. Galaxien, die die
Auswahlkriterien erfüllen und die mit dem “Arecibo Legacy
Fast ALFA (ALFALFA)” HI-Survey nachgewiesen wurden, sind als
kleine graue Punkte dargestellt. Wegen seiner kurzen Integrationszeit
kann ALFALFA nur die Objekte mit dem größten HI-Anteil in
unserer Auswahl nachweisen.
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Galaxien teilen sich in zwei Familien auf: rote, alte elliptische
Galaxien und blaue Spiralgalaxien mit Sternentstehungsgebieten
(Abb. 1). Auch wenn diese Unterscheidung bereits lange Zeit bekannt
ist, haben neuere Untersuchungen auf der Grundlage von Daten aus dem
Sloan Digital Sky Survey (SDSS) gezeigt, dass die Aufteilung in diese
beiden Familien im nahen Universum bei einer Sternmasse von etwa 3
1010 Sonnenmassen geschieht, einem Wert, der der Sternmasse unserer
eigenen Galaxie, der Milchstraße, sehr nahe kommt. Galaxien mit
einer Sternmasse unterhalb des Grenzwertes haben typischerweise eine
junge Sternpopulation, eine geringe Oberflächendichte und nur
eine schwache Konzentration zum Zentrum, wie es für
Scheibengalaxien charakteristisch ist. Galaxien mit einer höheren
Sternenmasse andererseits zeichnen sich durch eine alte
Sternpopulation, eine hohe Oberflächendichte und die starke
Konzentration zum Zentrum aus, die bei elliptischen Galaxien typisch
ist.
Neuere theoretische Arbeiten schlagen eine Reihe möglicher
Mechanismen vor, um diese charakteristische Massenskala, bei der der
Übergang von jungen zu alten Galaxien stattfindet, zu
erklären. Fast alle dieser Mechanismen funktionieren dabei
über ein Abklemmen der Gaszufuhr. Die Untersuchungen von Gas in
massereichen Galaxien beidseits der charakteristischen Sternmasse
werden hier neue Erkenntnisse liefern.
Kaltes Gas (d.h. neutraler Wasserstoff, HI) ist das Grundmaterial, aus
dem sich Sterne bilden. Es ist deshalb sehr wichtig für unser
Verständnis davon, wie dieser Übergang bei den Eigenschaften
der Galaxie zustande kommt, und um unsere theoretischen Modelle zu
testen. Um ein unverfälschtes Bild zu erhalten, ist es
außerdem von höchster Wichtigkeit, die Galaxien allein
aufgrund ihrer Sternmasse auszuwählen, und nicht anhand ihrer
optischen Morphologie, Sternentstehung, Gasmenge, Farbe oder anderer
Eigenschaften.
Dieser Aufgabe stellt sich nun ein internationales Team an Astronomen,
dem Barbara Catinella, Guinevere Kauffmann, Silvia Fabello, und Jing
Wang vom Max-Planck-Institut für Astrophysik sowie Mitarbeiter
aus anderen Institutionen angehören. Das Team führt ein
neues Programm durch, den “GALEX Arecibo SDSS Survey” oder
kurz GASS, bei dem die 1000 größten und massereichsten
Galaxien des nahen Universums untersucht werden. Diese massereichen
Galaxien haben sich höchstwahrscheinlich gebildet, als das
Universum noch sehr jung war. Heute allerdings scheinen einige von
ihnen keine neue Sterne mehr zu bilden. Stockt die Sternentstehung in
diesen Galaxien, weil der Gasvorrat komplett aufgebraucht ist? Oder
wurde das Gas in die äußeren Regionen dieser Galaxien
abgedrängt oder auf so hohe Temperaturen aufgeheizt, dass der zur
Entstehung von Sternen nötige Gravitationskollaps verhindert
wird? GASS wurde konzipiert, auf diese Fragen eine Antwort zu finden.
GASS untersucht das Verhältnis von Sternen und Gas indem es
mehrere große, kürzlich im sichtbaren und UV-Licht
durchgeführte Galaxien-Surveys mit Beobachtungen des
größten Radioteleskops der Welt in Arecibo verbindet. Die
Studien mit bodengebundenen optischen Teleskopen (SDSS) und
Satelliten-gestützten UV-Kameras (Galaxy Evolution Explorer,
GALEX) messen die jungen und alten Sterne in Galaxien, während
die derzeitigen Messungen mit Arecibo den Gehalt an neutralem
Wasserstoff in jeder Galaxie feststellen werden. Die 2008 begonnenen
Arecibo-Beobachtungen dauern derzeit noch an. Eine Galaxie wird dabei
so lange beobachtet, bis sie entweder sicher nachgewiesen wird oder
bis eine Untergrenze für die Gasmasse erreicht wird (siehe
Abb. 2).
Erste Ergebnisse zeigen, dass selbst im Bereich hoher Sternmassen etwa
60 Prozent der Galaxien einen wesentlichen Anteil an HI-Gas
enthalten. In unserem ersten Datensatz mit rund 200 Galaxien
untersuchten wir, wie der Gasanteil von der Struktur und den
Eigenschaften der Sternpopulation abhängt. Dabei stellten wir
fest, dass der Gasanteil massereicher Galaxien eng mit der Sternmasse,
der stellaren Oberflächendichte sowie der NUV-r-Farbe korreliert
ist, aber nur schwach von der Konzentration zum Zentrum abhängt
(Abb. 3).
Eine der wichtigsten Aufgaben von GASS besteht darin, Objekte, die
sich gerade im Übergangsstadium zwischen blauen Galaxien mit
Sternentstehung und roten, passiven Galaxien befinden, zu
identifizieren und mengenmäßig zu erfassen. Je nachdem,
welchen Weg diese Galaxien in ihrer Entwicklung nehmen, sollten sie
Anzeichen einer kürzlich gestoppten Sternentstehung oder den
Zufluss von Gas zeigen.
Objekte, die sich stark vom durchschnittlichen Verhalten der
ausgewählten Galaxien unterscheiden, sind die besten Kandidaten
für Galaxien im Übergangsstadium zwischen blauer und roter
Sequenz. Wir haben deshalb interessante Objekte identifiziert, die
sowohl aufgrund ihrer Farben und Dichten ungewöhnlich viel Gas
enthalten, als auch Galaxien mit wenig Gas, die trotzdem immer noch
Sternentstehung zeigen. Objekte der ersten Kategorie könnten
weiterhin Gas von einem kurz zuvor stattgefundenen Zusammentreffen mit
anderen Galaxien oder aus der Umgebung erhalten; in einigen
Fällen könnte sich sogar erneut eine Scheibe mit
Sternentstehungsgebieten bilden. Objekte der zweiten Kategorie
könnten Systeme sein, in denen das HI-Gas kürzlich durch
Gezeitenkräfte oder den Druck des intergalaktischen Gases
entfernt wurde, oder bei denen andere Rückkopplungsprozesse das
Gas herausschleuderten. Diese unterschiedlichen Kategorien an
Übergangs-Galaxien sollen in zukünftigen Arbeiten näher
untersucht werden.
Um die physikalischen Prozesse, die für den Übergang
zwischen blauen und roten Galaxien verantwortlich sind, besser zu
verstehen, führen wir außerdem die “COLD
GASS”-Studie (CO Legacy Database for GASS) durch. Dieses
große Programm wird derzeit zusammen mit Kollegen am
Max-Planck-Insitut für extraterrestrische Physik und dem
IRAM-Observatorium in Grenada (Spanien) durchgeführt. Hierbei
wird mithilfe des IRAM 30m-Radioteleskops der Anteil molekularen
Wasserstoffs in einem Drittel der GASS-Galaxien gemessen. Molekularer
Wasserstoff ist ein weiterer wichtiger Bestandteil, um
Übergangsgalaxien zu verstehen und theoretische Modelle
einzuschränken, da es einen Zwischenschritt vom neutralen
Wasserstoffreservoir zur Entstehung neuer Sterne darstellt.
Barbara Catinella
Veröffentlichungen und Links
Catinella, B., Schiminovich, D., Kauffmann, G., et al.,
"The GALEX Arecibo SDSS Survey. I. Gas Fraction Scaling Relations
of Massive Galaxies and First Data Release",
2010, MNRAS, in press
(arXiv:0912.1610)
GASS Webseite
COLD GASS Webseite
ALFALFA Webseite
Webseite des Arecibo Observatoriums
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