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  Aktuelle Forschung :: November 2010 Zur Übersicht

Ein tiefer Blick auf die Milchstraße mit harter Röntgenstrahlung

Ein verbessertes Bildanalyseverfahren, das von Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA) entwickelt wurde, ermöglichte die empfindlichsten großflächigen Aufnahmen, die von der Milchstraße jemals bei harter Röntgenstrahlung gemacht wurden. Das Team überlagerte dazu Bilder der IBIS-Kamera auf dem internationalen Gammastrahlenobservatorium INTEGRAL, die im Laufe von sieben Jahren aufgenommen worden waren, um in Richtung des galaktischen Zentrums eine maximale Aufnahmezeit von mehr als 230 Tagen zu erreichen.

Abb 1: Diese Karte zeigt eine Region in der galaktischen Ebene, aufgenommen mit der IBIS/ISGRI-Kamera von INTEGRAL, die das 17-60 keV-Energieband umfasst. Im galaktischen Zentrum, dem zentralen Bereich der Karte, beträgt die gesamte Aufnahmezeit etwa 20 Millionen Sekunden. Das obere Bild zeigt das Ergebnis mit einer vorherigen (nicht verbesserten) Methode zur Himmelsrekonstruktion. Das untere Bild zeigt ein deutlich klareres Himmelsbild mit der verbesserten Methode.

Abb 2: Vergrößerte Aufnahme der Zentralregion (galaktischer "Bulge") in der INTEGRAL/IBIS-Karte, für die Daten sieben Jahre lang gesammelt wurden. Die überlagerten Helligkeitskontouren des 4,9 Mikrometer-COBE-DIRBE-Bildes folgen der alten Sternpopulation der Galaxie und enthüllen somit die Struktur der Scheibe und des "Bulges".

In letzter Zeit gab es große Fortschritte beim Abtasten des Himmels bei hohen Energien. Unter den großen Gammastrahlensatelliten, die sich derzeit im Orbit befinden, bedecken das Burst Alert Telescope (BAT) des NASA-Swift-Observatoriums und das IBIS-Teleskop auf der ESA-INTEGRAL-Raumfähre große Raumwinkel. Die große Zahl an aktiven Galaxienkernen (AGN), die die nahezu gleichmäßig tiefe Swift/BAT-Himmelsdurchmusterung entdeckt hat, zeigt, dass dieses Teleskop für extragalaktische Studien sehr wertvoll ist. Demgegenüber besitzt das INTEGRAL-Observatorium eine nicht-gleichmäßige Himmelsabdeckung und ergibt eine Himmelskarte, die im Bereich der galaktischen Ebene empfindlicher ist. Damit ergänzen sich die Himmelsdurchmusterungen von Swift/BAT und INTEGRAL/IBIS.

Die vielen Daten, die in Richtung der Milchstraße im Laufe der Zeit gesammelt wurden, bedeuteten für die Wissenschaftler allerdings eine Herausforderung, da eine längere Aufnahmezeit nicht automatisch auch eine größere Empfindlichkeit bedeutete. Die Wissenschaftler waren hauptsächlich mit zwei Problemen konfrontiert: Die “Coded-Mask”-Methode des IBIS-Teleskops — eine der wenigen Methoden, mit denen man bei harter Röntgenstrahlung Bilder erzeugen kann — führt zu einer Reihe systematischer Fehler, die die Beobachtungen behindern und die Empfindlichkeit der Instrumente einschränken. Dies betrifft aufgrund der vielen Objekte vor allem Aufnahmen entlang der galaktischen Ebene und hin zum galaktischen Zentrum. Die zweite Schwierigkeit kommt von einer starken, diffusen Röntgenstrahlung aus der galaktischen Ebene (der so genannten "galactic ridge"-Strahlung; siehe linkPfeil.gifAktuelle Forschung März 2006 , linkPfeil.gifAktuelle Forschung April 2006 , linkPfeil.gifAktuelle Forschung August 2006), die die Rekonstruktion des Himmels, basierend auf komplexen Hintergrundmodellen, beeinflusst.

Wissenschaftler vom MPA haben nun einen neuen Bildanalyse-Algorithmus vorgestellt, der dafür entwickelt wurde, die Empfindlichkeit des IBIS-Teleskops zu verbessern. Das neue Hintergrundmodell berücksichtigt nun erstens die Röntgenhintergrundstrahlung der Galaxie. Zweitens wurden die rekonstruierten Himmelsbilder durch einen speziellen Algorithmus von systematischem Rauschen gereinigt, der auf diskreten Elementarwellen beruht.

"Durch die Kombination der Himmelsbilder von 50.000 Einzelbeobachtungen, die zwischen 2002 und 2009 durchgeführt wurden, erzielte unsere Gruppe eine Durchmusterung der Milchstraße in harter Röntgenstrahlung bei bisher nie erreichter Empfindlichkeit", sagt der MPA-Wissenschaftler Roman Krivonos, der die Studie leitete. "Das endgültige Himmelsmosaik erlaubt es uns zum ersten Mal, die Population schwacher, Masse akkretierender Röntgendoppelsterne in der Galaxie zu untersuchen."

Derartige Objekte konnte man in bestehenden Beobachtungen naher Galaxien bei weicher Röntgenstrahlung durch die Chandra- und XMM-Newton-Weltraumobservatorien nicht sehen. Die neuen Beobachtungen kompakter, galaktischer Quellen, die in diesen INTEGRAL-Daten entdeckt worden sind, stellen nun einen Prototyp für zukünftige kompakte Quellen dar, die in den geplanten Beobachtungen benachbarter Galaxien bei harter Röntgenstrahlung gefunden werden sollten.


Roman Krivonos, Sergey Tsygankov, Mikhail Revnivtsev, Eugene Churazov, Rashid Sunyaev


Weiterführende Links

linkPfeil.gifHimmelsrekonstruktionsalgorithmus des MPA
linkPfeil.gifInteraktive INTEGRAL-Karte des galaktischen "Bulge"
linkPfeilExtern.gifESA Pressemeldung: INTEGRAL completes the deepest all-sky survey in hard X-rays


Originalveröffentlichungen:

Krivonos, R.; Revnivtsev, M.; Tsygankov, S.; Sazonov, S.; Vikhlinin, A.; Pavlinsky, M.; Churazov, E.; Sunyaev, R., "INTEGRAL/IBIS 7-year All-Sky Hard X-Ray Survey — Part I: Image Reconstruction", 2010, A&A, Volume 519, id.A107
linkPfeilExtern.gifhttp://dx.doi.org/10.1051/0004-6361/200913814

Krivonos, R.; Tsygankov, S.; Revnivtsev, M.; Grebenev, S.; Churazov, E.; Sunyaev, R., "INTEGRAL/IBIS 7-year All-Sky Hard X-Ray Survey. Part II: Catalog of Sources", 2010, A&A accepted
linkPfeilExtern.gifhttp://arxiv.org/abs/1006.4437



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Letzte Änderung: 25.10.2010