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  Aktuelle Forschung :: Juli 2009 Zur Übersicht

Dem Geheimnis der Galaxienkerne auf der Spur

Wissenschaftlern am Max-Planck Institut für Astrophysik (MPA) ist es gelungen, anhand von nahezu 3000 Aufnahmen des Sloan Digital Sky Survey (SDSS) eine detaillierte Analyse der strukturellen Eigenschaften von Galaxien durchzuführen. Ihre Arbeit, die auch durch den Einsatz neuartiger Analysemethoden ermöglicht wurde, bestätigt einige frühere Theorien über die Entstehung der Zentralbereiche von Spiralgalaxien. Sie zeigt aber auch, dass deren Entstehung und Entwicklung komplexer ist als bisher angenommen.

Abb. 1: Massive Galaxien besitzen eine Anzahl von Eigenschaften, die Rückschlüsse auf ihre Entstehung und Evolution zulassen. Die Abbildung zeigt einige der untersuchten SDSS-Galaxien. In der obersten Reihe sind elliptische Galaxien zu sehen, gefolgt von Spiralgalaxien mit klassischen Zentralbereichen, Spiralgalaxien mit Pseudo-Zentralbereichen und schließlich Spiralgalaxien ohne Zentralbereich.

Abb. 2: Beispiel für ein Ergebnis der Software BUDDA, die am MPA mitentwickelt wurde und zur Bestimmung der unterschiedlichen Komponenten von Galaxien zum Einsatz kam. Oben links ist das ursprüngliche SDSS-Bild zu sehen, die durchgezogene horizontale Linie deutet hier den Maßstab von 5 Kiloparsec an. Die Abbildung oben rechts zeigt das errechnete Modell für die einzelnen Komponenten. Unten links ist die Differenz zwischen ursprünglichem Bild und Modell dargestellt, wobei feinere Strukturen wie Spiralarme hervortreten. Die Kurven unten rechts zeigen Profile der Oberflächenhelligkeit der realen Galaxie (gestrichelte Linie), des Gesamtmodells (schwarze durchgezogene Linie), sowie der einzelnen Komponenten des Modells (Zentralbereich in rot, Balken in grün und Scheibe in blau). Die gute Übereinstimmung des Modells mit dem Original belegt, dass die Aufteilung der Galaxie in ihre einzelnen Komponenten erfolgreich war.

Abb. 3: Verhältnis zwischen Oberflächenhelligkeit und Radius der Zentralbereiche. Klassische Zentralbereiche folgen dem Verhältnis elliptischer Galaxien (im Bereich zwischen beiden gestrichelten Linien dargestellt), wohingegen Pseudo-Zentralbereiche von dieser Relation abweichen und in der Abbildung unterhalb dieses Bereiches liegen.

Abb. 4: Verhältnis zwischen Ausdehnung und stellarer Masse von elliptischen Galaxien und der verschiedenen Komponenten von Spiralgalaxien. Die Steigung der Relation von Pseudo-Zentralbereichen gleicht der von Balken, aber sie unterscheidet sich mit mehr als 99,9-prozentiger Signifikanz von der klassischer Zentralbereiche. Dies belegt einerseits die enge Verknüpfung zwischen Pseudo-Zentralbereichen und Balken, und weist gleichzeitig auf unterschiedliche Entstehungsmechanismen von Pseudo-Zentralbereichen und klassischen Zentralbereichen hin. Darüber hinaus erscheinen die Relationen elliptischer Galaxien und klassischer Zentralbereiche versetzt, was die Vermutung widerlegt, nach der klassische Zentralbereiche nichts als elliptische Galaxien sind, die eine Sternenscheibe umgibt.

Massereiche Galaxien sind Sternensysteme mit einer Vielzahl struktureller Eigenschaften, die Aufschlüsse über ihre Entstehung und Entwicklung geben können. Elliptische Galaxien weisen hauptsächlich eine charakteristische, kugelförmige Komponente auf, welche zumeist aus alten Sternen besteht, die sich auf ungeordneten Bahnen bewegen. Im Gegensatz dazu besitzen Spiralgalaxien eine Reihe unterschiedlicher Elemente: Gewöhnlich einen dichten Zentralbereich (engl. "Bulge") im Zentrum, um den eine ausgedehnte Scheibe aus Sternen unterschiedlichen Alters rotiert, sowie darüber hinaus häufig weitere Elemente wie Balken, Spiralarme oder Ringe. Wie diese Komponenten entstehen und sich entwickeln, ist eine der offenen Fragen der modernen Astrophysik. Vergangene Arbeiten scheinen auf die Existenz zweier unterschiedlicher Arten von Zentralbereichen hinzudeuten: Sogenannte klassische Zentralbereiche ähneln elliptischen Galaxien, was dafür zu sprechen schien, dass sie einer ähnlichen Entwicklung unterliegen. Sind klassische Zentralbereiche in Spiralgalaxien womöglich nichts anderes als elliptische Galaxien, die zufällig von einer Sternenscheibe umgeben sind? Später wurden allerdings sogenannte Pseudo-Zentralbereiche entdeckt, deren Sterne selbst eher denen in Sternenscheiben entsprechen, was für einen anderen Ursprung spricht.

Die nun vorliegenden Arbeit stellt die erste Anwendung neuer, fortgeschrittener Methoden der Galaktischen Strukturanalyse auf eine gleichmäßige und statistisch bedeutende Auswahl von Aufnahmen von Galaxien in verschiedenen Wellenlängenbereichen des Sloan Digital Sky Survey (SDSS) dar. Sie ermöglicht die exakte Bestimmung der strukturellen Parameter wie Masse und Größe der Zentralbereiche. Eine weitere Neuerung besteht in der eindeutigen Unterscheidung von klassischen Zentralbereichen und Pseudo-Zentralbereichen, für die jeweils unterschiedliche Verhältnisse von Größe und Helligkeit oder Masse ermittelt wurden.

Die Methode gibt Hinweise darauf, dass klassische und Pseudo-Zentralbereiche in der Tat verschiedene Entstehungsgeschichten besitzen und dass letztere eng mit der Entwicklung von dynamischen Instabilitäten der Scheibe, wie etwa Balken, in Verbindung stehen. Außerdem zeigt sich, dass die Ähnlichkeiten zwischen klassischen Zentralbereichen und elliptischen Galaxien beschränkt sind. Eine Möglichkeit, beides zu belegen, besteht in der Analyse der Entstehungsprozesse der jeweiligen Sternensysteme mithilfe der SDSS-Daten. Dabei stellt sich heraus, dass alle untersuchten Sternensysteme (elliptische Galaxien, klassische Zentralbereiche und Pseudo-Zentralbereiche, Scheiben und Balken) umso ausgedehnter sind, je höher ihre jeweilige Masse ist. Der genaue Zusammenhang zwischen Größe und Masse unterscheidet sich jedoch zwischen klassischen und Pseudo-Zentralbereichen, was darauf hindeutet, dass sie auf unterschiedliche Art wachsen. Die einzigen Systeme, deren Wachstum mit denen von Pseudo-Zentralbereichen vergleichbar scheint, sind die sogenannten Balken, was auf einen engen Zusammenhang schließen lässt. Die Verhältnisse von Masse und Größe elliptischer Galaxien und klassischer Zentralbereiche sind dagegen versetzt; bei gleicher Masse sind elliptische Galaxien deutlich größer. Durch einfaches Hinzufügen einer Sternenscheibe zu einer elliptischen Galaxie erhält man somit keine realistische Spiralgalaxie. Mit anderen Worten: Die vorgeschlagene Betrachtung klassischer Zentralbereiche als elliptische Galaxien mit zusätzlicher Sternenscheibe greift zu kurz.

Überraschenderweise finden sich in den Daten aber auch Zentralbereiche mit gemischten Eigenschaften. Diese besitzen die strukturellen Parameter von klassischen Zentralbereichen, die Sterne aus welchen sie bestehen ähneln jedoch eher denen von Pseudo-Zentralbereichen. Das heißt, sie zeigen Anzeichen für Sternentstehung in jüngster Vergangenheit. Dies führt zu einem neuen Konzept, demzufolge die Mechanismen, die für die Entstehung beider Zentralbereiche verantwortlich sind, auch nebeneinander wirken können.

Ein letztes interessantes Ergebnis dieser Arbeit betrifft die gesamte stellare Masse des lokalen Universums und ihre Verteilung innerhalb der verschiedenen untersuchten Systeme. Bereinigt man die Daten um Auswahleffekte, die dazu führen, dass elliptische Galaxien statistisch etwas häufiger in den Daten vertreten sind als Spiralgalaxien, kommt man zu dem Ergebnis, dass 32% der gesamten stellaren Masse massiver Galaxien in elliptischen Galaxien enthalten ist, 36% in Scheiben, 25% in klassischen Zentralbereichen, 3% in Pseudo-Zentralbereichen und 4% in Balken. Diese Werte sind von großer Bedeutung Wert für theoretische Arbeiten zur Evolution von Galaxien, deren Ziel darin besteht, Beobachtungen mithilfe eines grundlegenden Verständnisses der Natur zu erklären.


Dimitri Gadotti


LITERATUR

Dimitri Alexei Gadotti, "Structural properties of pseudo-bulges, classical bulges and elliptical galaxies: a Sloan Digital Sky Survey perspective", 2009, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, Volume 393, Issue 4, pp. 1531-1552
linkPfeilExtern.gifads-2009MNRAS.393.1531G



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Letzte Änderung: 30.6.2009