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Abb. 1:
Die chemische Zusammensetzung der Sonne ist ein astronomischer
Maßstab von grundlegender Bedeutung, mit Hilfe dessen der
Entwicklungszustand kosmischer Objekte beurteilt wird.
Bildquelle: ESA/NASA
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Abb. 2:
Die neuen solaren Elementhäufigkeiten, die das von
Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Astrophysik geleitete
Team bestimmt hat. Die horizontale Achse gibt die Ordnungszahlen der
Elemente. Die Häufigkeitswerte sind auf der den Astronomen vertrauten
logarithmischen Skala gegeben, bei der Wasserstoff den Wert 12 zugewiesen
bekommt. Die hohen Häufigkeiten von Wasserstoff und Helium erklären
sich durch ihre hauptsächliche Entstehung in den ersten Minuten nach
dem Urknall. Alle anderen Elemente wurden im feurigen Innern von
Sternen geschmiedet oder entstammen dem Inferno von Supernova-Explosionen,
die das Leben der Sterne beenden. Die Form der solaren
Häufigkeitsverteilung verrät nicht nur Vieles über die
Kernphysik und inneren Bedingungen von Sternen, sondern auch über
die Entwicklung von Galaxien wie der Milchstraße.
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Abb. 3:
Ein Vergleich der neu bestimmten solaren Elementhäufigkeiten
mit denen in den ursprünglichsten Meteoriten (logarithmische
Skala) zeigt sehr gute Übereinstimmung im Rahmen der Messunsicherheiten.
Die zum Vergleich herangezogenen Meteoriten sind seit ihrer Entstehung
bei der Bildung des Sonnensystems vor 4,5 Milliarden Jahren im Wesentlichen
unverändert geblieben. Lediglich einige wichtige Elemente wie Wasserstoff,
Helium, Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Neon haben sich
verflüchtigt und ihre Häufigkeiten müssen daher mittels
der Sonnenspektroskopie ermittelt werden.
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Die chemische Zusammensetzung der Sonnenmaterie ist ein sehr wichtiger
Baustein zu unserem Verständnis der Bildung, Struktur und Entwicklung
der Sonne und des Sonnensystems. Außerdem spielt sie eine bedeutende
Rolle als Bezugsgröße zum Vergleich mit den Elementhäufigkeiten
in anderen astronomischen Objekten, z.B. in Sternen, Planeten, Gaswolken
im interstellaren Medium und ganzen Galaxien.
Die chemische Elementmischung von Sternen wie der Sonne läßt sich
aus ihrem Strahlungsspektrum ablesen. Dieses enthällt gleichsam einen
Fingerabdruck der vorhandenen Substanzen in Form von Fraunhoferschen
Absorptionslinien. Um aus der Stärke einer Spektrallinie auf die
Elementhäufigkeiten Rückschlüsse zu ziehen, benötigen die
Astrophysiker ein genaues Modell der Sternatmosphäre und der
Prozesse zwischen Atomen und Strahlungsphotonen, die zur Bildung des
Spektrums beitragen. Bei der Sonne stellt die Konvektion, durch
die ihre Atmosphäre wie blubberndes, kochendes Wasser durchmischt
wird, eine Komplikation dar. Sie verändert die Struktur der
Sonnenatmosphäre in der Region, wo das Spektrum sich formt.
Die theoretische Grundlage für die neue Studie ist ein realistischeres
Modell der Sonnenatmosphäre, das auf dreidimensionalen hydrodynamischen
Computersimulationen fußt, im Gegensatz zu den früher benutzten
eindimensionalen Modellen. Solche Simulationen sind eine echte
Herausforderung und wurden in Zusammenarbeit der Gruppe am Max-Planck-Institut
für Astrophysik mit Kollegen in Dänemark, den USA und Australien
erstmalig angegangen und systematisch verbessert. Dabei wurden
auch die Wechselwirkungen der Strahlung mit der Materie im Detail verfolgt
und neue, sorgfältig ausgewählte Daten für die atomaren
Linienübergänge verwendet.
Durch die ausgeklügelten Analysemethoden und verbesserten Atomdaten
konnte das Team eine vorher nicht mögliche Genauigkeit bei der
Bestimmung der solaren Elementhäufigkeiten erreichen. Außerdem
konnten Werte für alle 71 Elemente bestimmt werden, die sich durch
Sonnenspektroskopie identifizieren lassen, statt wie üblich nur
für ein einziges oder sehr wenige. Dieses ambitiöse Unterfangen
brauchte eine Spanne von zehn Jahren zur Vollendung.
Das überraschendste und in seinen Konsequenzen weitreichende
Ergebnis ist die Tatsache, dass die Menge an Kohlenstoff, Stickstoff,
Sauerstoff und Neon (die vier nach Wasserstoff und Helium
häufigsten Elemente) nur rund zwei Drittel des bisher geglaubten
Wertes beträgt. Die neue 3D-Modellierung, Spektrenberechnung mit
Nichtgleichgewichtsbehandlung, bessere Atomdaten und eine verläßlichere
Auswahl von Spektrallinien spielen alle eine wichtige Rolle und bewirken
Veränderungen in der gleichen Richtung.
Die neuen Ergebnisse gewinnen dadurch an Gewicht, dass die Vorhersagen
durch das dreidimensionale Sonnenmodell hervorragend zu einer Reihe
von anderen Beobachtungen passen. Die Ergebnisse der neuen Studie werden
in der diesjährigen Ausgabe des angesehenen wissenschaftlichen
Journals "Annual Reviews of Astronomy and Astrophysics" veröffentlicht.
Sie haben das Potenzial, den Stand des astronomischen Wissens über die
Elementhäufigkeiten für viele Jahre zu definieren.
Die veränderte solare Häufigkeitsverteilung wird durch einen
Vergleich mit der chemischen Zusammensetzung von Meteoriten gestützt,
deren Materie sich seit der Entstehung des Sonnensystems im Wesentlichen
nicht verändert hat. Obwohl solche Meteoriten nicht dazu taugen,
aussagekräftige Werte für die Häufigkeiten von Wasserstoff,
Helium, Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Neon zu gewinnen, weil
diese Elemente teilweise aus den Meteoriten verdampft sind, bringen sie
doch hervorragende Übereinstimmungen bei den anderen Elementen.
Die neuen solaren Elementhäufigkeiten erklären auch
einen lange Zeit rätselhaften Befund: Warum enthält die
Sonne, die vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden ist, mehr schwere
Elemente als das heutige interstellare Medium und als junge, massereiche
Sterne in der galaktischen Nachbarschaft? Eigentlich sollte der Gehalt
von Elementen schwerer als Helium in der Milchstraße mit der Zeit
kontinuierlich ansteigen, weil massereiche Sterne fortwährend
entstehen und nach wenigen Millionen Jahren als Supernovae verglühen
und dabei das in ihrem nuklearen Feuer mit schweren Elementen
angereicherte Material ins
interstellare Gas schleudern, aus dem sich dann die nächste
Sterngeneration bildet. Die neu bestimmten solaren Häufigkeiten
lassen die Sonne in dieser Hinsicht als normal erscheinen.
Doch nicht alles ist an diesem geänderten astronomischen Maßstab
in bester Ordnung. Der niedrigere Gehalt an schweren Elementen zieht
veränderte Bedingungen in den tiefen Schichten von Sonnen- und
Sternstrukturmodellen nach sich. Der nun vorhergesagte Verlauf der
Schallgeschwindigkeit mit zunehmender Tiefe ist im krassen Widerspruch
zum Verhalten, das man aus Messungen von Sonnenoszillationen (d.h.
Schwingungen der Sonne) ableitet. Weil Schallwellen unterschiedlicher
Wellenlängen in unterschiedliche Tiefen der Sonne vordringen,
läßt sich die Variation der Schallgeschwindigkeit durch
Messungen bestimmen. Diese Technik wird Helioseismologie genannt.
Die neuen Daten zur chemischen Zusammensetzung der Sonne haben bereits
eine Reihe von Untersuchungen angeregt, um die Lösung dieses Problems
zu finden. Etliche mögliche Erklärungen wurden vorgeschlagen, aber
die meisten mussten wieder verworfen werden. Wie auch immer die finale
Antwort sein wird, sie wird unser Verständnis der Sonne und anderer
Sterne mit Sicherheit vertiefen und damit auch helfen, das Universum als
Ganzes besser zu begreifen.
Martin Asplund
Veröffentlichung:
Martin Asplund, Nicolas Grevesse, Jacques Sauval and Pat Scott,
"The chemical composition of the Sun",
2009, Annual Reviews in Astronomy and Astrophysics (im Druck)
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