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Fig. 1:
Chandra-Röntgenbild des inneren Bulge der Andromeda-Galaxie im Bereich
0,5-2 keV. Die Mehrheit der Quellen innerhalb des dunkelblauen Kreises
(Radius von 60") werden über Absorption von Sternen niedriger Masse
durch schwarze Löcher und Neutronensterne sowie über Kollisionen der
letzteren mit roten Riesen gebildet.
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Fig. 2:
Die radiale Verteilung kompakter Röntgenquellen in M31. Zwei glatte
durchgezogene Linien zeigen die prognostizierte Verteilung der
stellaren Masse ρ∗ und ihres Quadrats ρ∗².
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Es ist seit langem bekannt, dass das Verhältnis der Anzahl von
Röntgendoppelsternen geringer Masse (low mass X-ray binaries, LMXBs)
zur Sternenmasse in Kugelsternhaufen ungefähr zwei Größenordnungen
höher ist als in der galaktischen Scheibe. Seit Chandra und XMM-Newton
in Betrieb sind, sind Studien punktförmiger Röntgenquellen in äußeren
Galaxien möglich geworden und haben gezeigt, dass auch dort LMXBs in
Kugelhaufen besonders reichlich vorhanden sind. Dies wird auf
dynamische Prozesse zurückgeführt, durch welche LMXBs bei
Zusammenstößen kompakter Objekte mit normalen Sternen entstehen. Der
bekannteste dieser Prozesse ist das Absorbieren eines
Hauptreihensterns durch einen Neutronenstern oder ein schwarzes
Loch. Zusammenstöße kompakter Objekte mit roten Riesen und
Austauschreaktionen während Interaktionen zwischen Doppelsternen und
Einzelsternen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Aufgrund der
ρ∗² Abhängigkeit von Zusammenstößen zweier Objekte von der
Sternendichte sind sie in Kugelsternhaufen häufig, außerhalb dagegen
vernachlässigbar. Zum Beispiel in massereichen elliptischen Galaxien,
die gewöhnlich durch reiche Kugelsternsysteme gekennzeichnet sind,
genauso wie ∼ 2/3 von Röntgendoppelsternen in Kugelsternhaufen
angesiedelt sein können.
In den zentralen Teiler massiver Galaxien können die Sternendichten
∼ 103 - 104 pc-3 erreichen. Dies ist immer noch etwas
niedriger als die Dichten in den hellsten Kugelsternhaufen, wo die
LMXBs vorzugsweise zu finden sind. Jedoch gleicht die hohe Menge die
geringe Dichte aus, und LMXBs können nahe den galaktischen Zentren bei
Zusammenstößen zweier Objekte in hoher Zahl erzeugt werden. Wegen der
hohen Sternenmasse, die in der zentralen Region einer Galaxie
enthalten ist, existiert dort auch eine gewisse Zahl primordialer
LMXBs, die sich auf dem evolutionären Standardwege gebildet
haben. Obwohl diese nicht leicht von Doppelsternen, die aus
Zusammenstößen zweier Objekte hervorgegangen sind, unterschieden
werden können, kann ein statistisches Argument angewandt werden, das
vorher für die Entdeckung der dynamischen Bildung von Doppelsternen in
Kugelsternhaufen gebraucht wurde. Die Volumendichte der ursprünglichen
LMXBs folgt der Verteilung der Sternenmasse in einer Galaxie, während
die räumliche Verteilung der dynamisch gebildeten Doppelsterne dem
ρ∗²/v Gesetz folgen sollte. Daher sollte man erwarten, dass die
letztere in Richtung des Zentrums der Muttergalaxie eine viel höhere
Konzentration aufweisen und sich als Population von
“überzähligen” Quellen in ihrem Kern erweisen sollte.
M31 ist die uns nächste Spiralgalaxie in voller Größe. Bei einer
Entfernung von 780 kpc können Röntgenquellen leicht mit Chandra
aufgelöst werden, selbst in der Nähe des Zentrums der Galaxie
(Abb. 1). Es wurde mit Chandra ausgiebig untersucht. Wenn wir diese
Daten benutzen, finden wir eine deutliche Steigerung der spezifischen
Häufigkeit von Röntgenquellen, pro Sternenmassen-Einheit, innerhalb
von einer Bogenminute Entfernung vom Zentrum der Galaxie. Die radiale
Verteilung überzähliger Quellen in diesem Gebiet folgt dem ρ∗²
Gesetz (Abb. 2), was nahe legt, dass sie Röntgendoppelsterne niedriger
Masse sind, die sich dynamisch in der dichten Sternenumgebung des
inneren Bulge gebildet haben.
Während dynamische Interaktionen in Kugelsternhaufen in den 70er und
80er Jahren untersucht wurden, ist die Bandbreite der Parameter, die
für galaktische Zentren typisch sind, noch unerforscht. Die
Geschwindigkeiten von Sternen sind im Bulge um eine Größenordnung
höher, was den Charakter der dynamischen Interaktionen verändert und
daher auch die Rolle unterschiedlicher Entstehungswege.
Wir haben die dynamische Entstehung von Doppelsternen und ihre weitere
Entwicklung bis zur Phase aktiver Röntgenstrahlung im Bereich hoher
Sternengeschwindigkeiten untersucht. Wir fanden heraus, dass
Röntgendoppelsterne im Bulge einer typischen Spiralgalaxie mit einer
Geschwindigkeit von of ∼ 50 - 100 per Gyr gebildet werden. Die
Berechnungen legen nahe, dass die Mehrzahl der überzähligen Quellen
aus der Absorption von Hauptreihensternen geringer Masse durch
schwarze Löcher resultieren, M∗ < 0.3Msun, mit einem geringeren
Beitrag durch Neutronensternsysteme desselben Typs. Wegen der hohen
Sternengeschwindigkeiten im Bulge sollten sehr kompakte und helle
Doppelsternsysteme erzeugt werden, mit einer Röntgenhelligkeit von
log LX > 37 und einer Umlaufdauer von ∼ 1 - 2 Stunden und
kürzer. Aufgrund der geringen Größe der Akkretionsscheiben in solchen
Systemen könnte ein Großteil der schwarzen Löcher langlebige
Röntgenquellen sein, im Gegensatz zur Population der meist kurzlebigen
primordialen binären schwarzen Löcher in der galaktischen
Scheibe. Einige der Quellen werden ultrakompakte Röntgendoppelsterne
mit Heliumsternen oder Weißen Zwergen als Begleiter sein, die sich in
den Zusammenstößen kompakter Objekte mit roten Riesen gebildet
haben. Wir sagen auch eine hohe Zahl schwacher schnell variabler
Quellen innerhalb von ∼ 1 Bogenminuten vom galaktischen Zentrum
von M31 voraus, sowohl schwarze Löcher als auch
Neutronensterne. Letztere könnten Vorläufer der akkretierenden
Millisekunden-Pulsare sein, ähnlich dem berühmten SAX J1808.4-3658,
der vor zehn Jahren in unserer Galaxis entdeckt wurde.
Marat Gilfanov, Rasmus Voss; Übersetzung: Mona Clerico
Veröffentlichungen:
R.Voss and M.Gilfanov, 2007, A&A, 468, 49
R.Voss and M.Gilfanov, 2007, MNRAS, 380, 1685
R.Voss, M.Gilfanov, R.Kraft et al., 2009, ApJ, eingereicht
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