Die Formen planetarischer Umlaufbahnen

Die Umlaufbahnen der meisten Planeten im Sonnensystem sind beinahe kreisförmig: Dies ist zu erwarten, da die Planeten sich durch Verdichtung aus einer kreisförmigen Scheibe aus Staub und Gas gebildet haben. Im Gegensatz dazu sind die Kreisbahnen der meisten der 300 bekannten Planeten außerhalb des Sonnensystems länglich verzerrt. Forscher des Max-Planck-Instituts für Astrophysik (MPA), der Princeton University und dem "Institue for Advanced Study" haben jetzt gezeigt, dass diese Formen wahrscheinlich durch die wechselseitige Anziehungskraft der Planeten im jeweiligen System entstanden sind, lange nachdem diese sich ursprünglich gebildet hatten.

Abb. 1: Umlaufbahnen von Erde, Venus und der extrasolaren Planeten GJ 317b (grün) und HD 80606b (hellblau). Der rote Punkt in der Mitte zeigt die Position des Sterns an (der Sonne oder GJ 317); der Punkt ist jedoch viel größer als die tatsächliche Größe des Sterns. Die Bahnen beider extrasolarer Planeten sind viel stärker längsverzerrt als die von Erde und Venus.

Abb. 2: Die Verteilung der Exzentrizitäten (Rundlaufabweichungen) bei den Bahnen der bekannten extrasolaren Planeten wird als schwarzes Balkendiagramm gezeigt. Kreisförmige Umlaufbahnen haben eine Exzentrizität von 0, extrem gestreckte Bahnen haben eine Exzentrizität von 1, und GJ 317b hat eine Exzentrizität von 0,19. Die farbigen Bereiche zeigen die Exzentrizitätsverteilungen der Simulationen. Sie stimmen mit den Beobachtungen überein, bis auf ein Übermaß an beobachteten Systemen mit Exzentrizitäten von weniger als 0,1: Diese stellen wahrscheinlich Systeme wie das Sonnensystem dar, in denen kein Spätstadium mit dynamischer Entwicklung stattgefunden hat.

Unser Verständnis der Ursprünge und der Verteilung von Planeten wie der Erde hat sich im letzten Jahrzehnt durch die Entdeckung von über 300 Planeten, die andere Sterne umkreisen, von Grund auf verändert. Diese Planetensysteme weichen in grundlegender Weise von unserem eigenen Sonnensystem ab und zeigen uns damit, dass die Vielfalt möglicher Systeme deutlich größer ist als die meisten Astronomen vermutet hatten.

Eine der wichtigsten Abweichungen liegt in den Formen der Planetenbahnen. Die Bahnen der meisten Planeten im Sonnensystem sind fast vollständig kreisförmig. Zum Beispiel schwankt die Entfernung der Erde von der Sonne, während sie sie umkreist, nur um 3 Prozent. Mathematisch lässt sich die Gestalt einer Umlaufbahn durch ihre Exzentrizität (Rundlaufabweichung) beschreiben, das Maß für die Abweichung von der Kreisform. Die Exzentrizität bewegt sich zwischen dem Wert Null für eine kreisrunde Umlaufbahn wie die der Erde bis in die Nähe des Wertes Eins für extrem gestreckte Kreisbahnen wie die einiger Kometen.

Eine der bemerkenswertesten Eigenschaften der Planeten, die in der Nähe anderer Sterne entdeckt worden sind, ist, dass ihre Bahnen viel stärker in die Länge gezogen sind als die Planetenbahnen im Sonnensystem. Abbildung 1 zeigt die Umlaufbahnen zweier dieser Planeten im Vergleich zu Erde und Venus. Der grüne Planet, GJ 317b, hat eine typische Exzentrizität, während der hellblaue Planet, HD 80606b, die größte für irgendeinen Planeten bekannte Exzentrizität hat. Diese in die Länge gezogenen Formen sind überraschend, da man annimmt, dass Planeten sich aus einer kreisförmigen Gas- und Staubscheibe verdichtet haben, die den Stern umgibt (eine Auffassung, die erstmals von dem preußischen Philosophen Immanuel Kant im Jahr 1755 vertreten wurde) und dass die Planetenbahnen daher kreisförmig sein sollten, wie die Form des Gases, aus dem sich die Planeten gebildet haben.

Die Forscher Scott Tremaine (MPA und Institute for Advanced Study) und Mario Juric (Princeton University) untersuchten nun die Möglichkeit, dass Planetenbahnen ihre Formen erlangen, nachdem der Prozess der Planetenbildung abgeschlossen ist und die Gasscheibe sich aufgelöst hat. Nach dieser Hypothese bilden sich Planeten in kreisförmigen Bahnen, aber dann verzerren die gravitativen Wechselwirkungen, die sie auf einander ausüben, während sie ihre Bahnen ziehen, ihre Umläufe immer mehr ins Längliche. In einigen Fällen führt dieser Prozess dazu, dass Planeten zusammenstoßen, in den interstellaren Raum hinaus gestoßen oder durch den Stern verbrannt werden, während in anderen Fällen einige oder alle Planeten überleben, aber in Umlaufbahnen, die erheblich von der Kreisform abweichen.

Um diese Hypothese zu überprüfen, entwarfen Juric und Tremaine einige Tausend Modelle von Planetensystemen, in denen mehrere Planeten ihre Sterne in fast kreisrunden Bahnen umliefen, und verfolgten die Entwicklung dieser Bahnen numerisch über 100 Millionen Jahre hinweg. Sie fanden heraus, dass in einem bemerkenswert großen Teil dieser Modellsysteme die Verteilung der Kreisformen oder Rundlaufabweichungen der überlebenden Planeten der Verteilung der Exzentrizitäten in den bekannten extrasolaren Planetensystemen entsprach (siehe Abbildung 2). Andere Eigenschaften der Modellsysteme, wie die Abstände der Planeten, stimmten ebenfalls gut mit den Beobachtungen überein.

Diese Befunde implizieren, dass, obwohl Riesenplaneten wie Jupiter und die meisten der bekannten extrasolaren Planeten sich innerhalb der ersten Million Jahre nach der Geburt ihrer Sterne bildeten, einige Eigenschaften der Planetensysteme viel später bestimmt werden, in einer ungefähr 100 Mal so lang dauernden Entwicklungsphase. Die Ergebnisse weisen auch darauf hin, dass die Umlaufbahnen der Planeten im Sonnensystem fast kreisrund sind, weil die Planeten zu weit voneinander entfernt sind oder eine zu geringe Masse haben, um nachweisbare Rundlaufabweichungen hervorzurufen. Die spannende Frage, warum der Mensch ausgerechnet in einem so ungewöhnlichen Planetensystem lebt, wird von den Autoren allerdings nicht angesprochen. Eine nahe liegende Vermutung wäre, dass die Klimaverhältnisse ungünstig zum Leben sind, wenn die Planetenbahnen zu stark von der Rundform abweichen.


Scott Tremaine; Mona Clerico (Übersetzung)


Publications

M. Juric and S. Tremaine, "Dynamical origin of extrasolar planet eccentricity distribution ", 2008, linkPfeilExtern.gifAstrophysical Journal (eingereicht)