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Galaktischer Wind im zentralen Bereich der Andromeda-Galaxie

Massereiche elliptische Galaxien enthalten riesige Mengen an ionisiertem Gas, die verantwortlich sind für ihre hohe Leuchtkraft im Röntgenlicht. Die Frage, wie viel Gas weniger massereiche Galaxien enthalten, löst noch immer einige Diskussion aus. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik haben jetzt ionisiertes Gas, das Röntgenlicht ausstrahlt, im Bulge der Andromeda-Galaxie gefunden, der nächstgelegenen spiralförmigen Riesengalaxie und "Zwillingsschwester" unserer eigenen Galaxis. Beim Bulge handelt es sich um die innere Verdickung der Spiralform zu einem nuklearen Sternhaufen. Das Gas, dessen Masse wenige Millionen Sonnenmassen nicht überschreitet, hat die Temperatur von 3-4 Millionen Kelvin und scheint mit einer Geschwindigkeit von ca. 0,1 Sonnenmassen pro Jahr aus der Galaxie herauszuströmen. Die Masse und der Energiehaushalt dieses galaktischen Windes werden durch den Massenverlust entwickelter Sterne und durch die Energiezufuhr durch Supernovae vom Typ Ia aufrechterhalten.

Abb. 1: Weiches Röntgenbild des inneren Bulge (~ 1,5-2 kpc) der Andromeda-Galaxie, aufgenommen mit dem Röntgenobservatorium Chandra. Die Mehrheit der kompakten Quellen sind akkretierende Neutronensterne und stellare Schwarze Löcher in Doppelsternsystemen. Unaufgelöste Röntgenstrahlung ist ebenfalls klar zu erkennen.

Abb. 2: Die Helligkeitsverteilung unaufgelöster Röntgenemission im Energiebereich zwischen 0,5 und 2 keV entlang der Hauptachse der Andromeda-Galaxie (kompakte Quellen entfernt). Die blauen und roten Symbole zeigen die Chandra- und XMM-Newton-Daten, das grüne Histogramm ist die 3,6 Mikron Nahinfrarotlicht-Verteilung des Spitzer-Teleskops. Das graue Feld kennzeichnet den Bereich systematischer Unsicherheit in den Röntgendaten bezogen auf den unvollkommenen instrumentellen Abzug des Hintergrunds. Die gute Gesamtübereinstimmung zwischen Röntgenlicht- und Nahinfrarotlicht-Verteilung ist offensichtlich, ebenso wie der Höchstwert in den zentralen 10 Bogensekunden.

Abb. 3: Röntgenspektrum des inneren und äußeren Bulge der Andromeda-Galaxie und der nahegelegenen gasarmen elliptischen Zwerggalaxie Messier 32. Die übermäßige Emission in der Röntgenhelligkeits-Verteilung in Abb. 2 offenbart sich als auffallend hoher Anteil weicher Strahlung im inneren Bulge-Spektrum. Die spektrale Form des Maximums kann annähernd beschrieben werden durch die Emission optisch dünnen Plasmas der Temperatur von 3-4 Millionen Kelvin.

Abb. 4: Kombinationsbild der Andromeda-Galaxie, basierend auf Daten aus unterschiedlichen Wellenlängen. Das optische Bild aus dem Digital Sky Survey (grau) stellt die Verteilung des Sternenlichts dar, während die 24 Mikron Daten des Weltraumteleskops Spitzer (rot) die Verteilung kalten Gases und Staubes in den Spiralarmen und im sternbildenden Bereich von 10 kpc rekonstruieren. In Violett wird die Emission weicher Röntgenstrahlen aus warmem ionisierten Gas gezeigt; die anderen Komponenten der Röntgenemission wurden abgezogen. Ein auffälliges Merkmal der Morphologie des Röntgenlicht abstrahlenden Gases (Abb. 4) ist, dass es sich entlang der Nebenachse hinzieht, im Unterschied zu allem anderen in dieser Galaxie. Die Lücken in der Oberflächenhelligkeit der Gasemission haben ihre Ursache in der Absorption durch die kalte Materie in den Spiralarmen.

Die Röntgenstrahlung der meisten Galaxien stammt überwiegend von hellen kompakten Quellen - akkretierenden Neutronensternen und schwarzen Löchern in Doppelsternsystemen. Zusätzlich gibt es in Galaxien aller Formen auch Röntgenstrahlung, die nicht in Quellen aufgelöst werden kann. Wissenschaftler des MPA haben bereits früher gezeigt, dass ein Teil dieser Emisssion aus der Überlagerung viel schwächerer kompakter Quellen stammt, und zwar aus akkretierenden Weißen Zwergsternen und Sternen mit aktiven Vorgängen in ihren heißen Gashüllen (Koronae) (linkPfeil.gifAktuelle Forschung Januar 2007, linkPfeil.gifAktuelle Forschung März 2006). So erklärt beispielsweise die gesammelte Strahlung schwacher Quellen den Großteil oder sogar die gesamte Röntgenstrahlung vom galaktischen Rücken unserer Galaxis. In vielen Galaxien gibt es auch echte diffuse Strahlung, deren Ursprung in der heißen ionisierten interstellaren Materie liegt. Die Menge und Bedeutung des im Röntgenlicht strahlenden Gases ist von Galaxie zu Galaxie unterschiedlich und erhöht sich im Allgemeinen mit der Masse der Galaxie. Leuchtende gas- und massereiche elliptische Galaxien und beinahe gasfreie Zwerggalaxien stellen die beiden Extrembeispiele des Gesamtspektrums dar.

Die Andromeda-Galaxie in unserer nächsten Nachbarschaft bietet die einzigartige Gelegenheit, eine Spiralgalaxie, die unserer eigenen ähnlich ist, in natürlicher Größe zu studieren, ohne die Komplikationen, die Projektionseffekte und Absorption mit sich bringen. Ihre Entfernung von 780 kpc und die flächendeckende Beobachtung durch die beiden wichtigsten Röntgenobservatorien Chandra und XMM-Newton sowie das Spitzer-Weltraumteleskop ermöglichten es, zwischen verschiedenen Komponenten der Röntgenstrahlung zu differenzieren und sie im Detail zu studieren. Die ausgezeichnete Winkelauflösung des Röntgenobservatoriums Chandra erlaubte es, die Anteile akkretierender Neutronensterne und schwarzer Löcher zu ermitteln und abzugrenzen (Abb. 1). Nachdem sie abgezogen worden waren, wurden die Form und die räumliche Verteilung der übrigbleibenden unaufgelösten Röntgenemission und Sternenmasse anschließend durch die Nahinfrarot-Strahlung gemessen und von den MPA-Wissenschaftlern übereinstimmend festgelegt (Abb. 2). Auffallend ist die Übereinstimmung des Verhältnisses von Röntgen- und Nahinfrarotstrahlung mit den in der Milchstraße gemessenen Werten. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Großteil der unaufgelösten Röntgenemission in der Andromeda-Galaxie den gleichen Ursprung hat wie die Emission in der Milchstraße und von einer großen Anzahl schwacher, kompakter und sternenartiger Quellen erzeugt wird.

Dieses einfache Bild verliert allerdings in den zentralen 10 bis 15 Bogensekunden (2 bis 3 kpc) seine Gültigkeit, weil hier eine beträchtliche Steigerung der Emission im Wellenlängenbereich der weichen Strahlung zu beobachten ist (Abb. 2). Der Spitzenwert ist als hoher Anteil weicher Strahlung auch im Röntgenspektrum deutlich zu erkennen (Abb. 3). Form und spektrale Merkmale deuten darauf hin, dass der Anstieg mit warmem, ionisiertem interstellarem Medium der Temperatur von 3-4 Millionen Kelvin zusammenhängt. Interessanterweise gibt es Anzeichen nicht-solaren Gehalts an Metallen und/oder eines Nichtgleichgewichtszustands des ionisierten interstellaren Mediums. Die Gesamtmasse des Gases ist wenige Millionen Sonnenmassen mit der typischen Dichte von 0,01 Partikeln pro cm3. Mit diesen Parametern ist die Abkühlzeit des Gases deutlich kürzer als die Lebenszeit der Galaxie. Da solches Gas thermisch unbeständig ist, kann es sich in hydrostatischem Gleichgewicht im Gravitationspotential der Galaxie nicht in einem unbeweglichen Zustand befinden. Andererseits ist der Massenverlust durch entwickelte Sterne im Bulge der Andromeda-Galaxie, 0,1 Sonnenmassen pro Jahr, ausreichend, um die Gasmasse auf der Zeitskala von 35 Myrs zu verdoppeln, d. h. in viel kürzerer Zeit als die Abkühlzeit. Die Ausströmung kann durch Supernovae vom Typ Ia angetrieben sein, die bis zu 1040 erg/s der mechanischen Energie ins interstellare Medium abgeben. Dies ist ausreichend, um das Gas zu heizen und es ins Gravitationspotential des Bulge zu heben.

Ein auffälliges Merkmal der Morphologie des Röntgenlicht abstrahlenden Gases (Abb. 4) ist, dass es sich entlang der Nebenachse hinzieht, im Unterschied zu allem anderen in dieser Galaxie. Dies weist darauf hin, das die Ausströmung vorwiegend in der senkrechten Richtung zur Galaxienscheibe stattfindet. Die zusätzliche Asymmetrie der Verteilung des Röntgenlichts, insbesondere die Lücke, die im Nordwesten des Kerns zu sehen ist, wird durch Absorption in den Spiralarmen hervorgerufen. Die Andromeda-Galaxie hat einen Neigungswinkel von 77 Grad, wobei die westliche Seite der Galaxienscheibe uns näher ist. Das ionisierte Gas auf dieser Seite des Bulge wird durch die Spiralarme gesehen, daher absorbieren das neutrale Gas und der Staub in der Sternbildungsregion weiche Röntgenstrahlen, was einen Schatten auf die Emission des interstellaren Mediums wirft. Dies geschieht nicht auf der östlichen Seite der Scheibe, die hinter dem Bulge liegt und die Gasausströmung nicht verdeckt. Die Tatsache, dass die Spiralarme und die Sternbildungsregion einen Schatten auf das ionisierte Gas werfen, legt eine untere Grenze von 2,5 kpc für seine vertikale Ausdehnung fest.


Akos Bogdan, Marat Gilfanov; Mona Clerico (Übersetzung)


Veröffentlichung

A.Bogdan & M.Gilfanov, 2008, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 388, 56 linkPfeilExtern.gifADS



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Letzte Änderung: 5.8.2008