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Die Teilchenphysik sagt einige noch nicht entdeckte Teilchentypen als
möglich Kandidaten für Dunkle Materie (DM) voraus, so zum
Beispiel WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles). Obwohl diese
Teilchen, wie der Name schon sagt, nur sehr schwach mit
gewöhnlicher Materie wechselwirken, können sie
möglicherweise durch direkte und indirekte Suchstrategien
nachgewiesen werden. Eine direkte Detektion basiert auf einem
Streuprozess mit gewöhnlicher Materie, welcher in einem Detektor
nachgewiesen werden könnte. Indirekte Experimente machen sich
eine weitere Eigenschaft zu nutze: zwei DM Teilchen können
annihilieren und erzeugen dabei sichtbare Gamma-Strahlung, die
beispielsweise mit dem kürzlich gestarteten GLAST-Satelliten
beobachtet werden könnte. Beide Suchmethoden werden derzeit
intensiv verfolgt, aber bis jetzt wurde mit ihnen noch keine DM
nachgewiesen. Eine solche Entdeckung stellt den entscheidenden Test
der DM Theorie dar.
Die schwache Wechselwirkung der DM Teilchen mit gewöhnlicher
Materie macht die Suche nach ihnen extrem schwierig. Daher werden gute
theoretische Vorhersagen ihrer Verteilung zur genauen Abstimmung der
Detektoren benötigt. Die Abmessungen eines Detektors sind winzig
im Vergleich zu den Größenordnungen mit denen sich
Kosmologen gewöhnlich beschäftigen. Sowohl direkte als auch
indirekte Suchtechniken hängen empfindlich von Eigenschaften der
DM auf sehr kleinen Größenskalen ab. Das heutige Bild von
DM nimmt an, dass diese hauptsächlich kalt ist: Kalte Dunkle
Materie (Cold Dark Matter, CDM). Kalt bezieht sich hierbei auf die
primordiale Geschwindigkeitsdispersion der DM Teilchen, die in diesem
Fall sehr gering ist. Die Kälte bedingt eine sehr spezielle
dynamische Entwicklung, die zu charakteristischen Eigenschaften der DM
auf kleinen Skalen führt. Hierdurch können sogenannte
Streams und Kaustiken auftreten (siehe Abb. 1). Eine geringe Anzahl
von Streams an einer bestimmten Position im Raum führt zu einer
sehr klumpigen Geschwindigkeitsverteilung der DM. Kaustiken auf der
anderen Seite führen zu kleinen Gebieten mit möglicherweise
sehr hoher Dichte. Diese Charakteristika beeinflussen die
Detektorsignale. Kaustiken können beispielsweise dazu
führen, dass die Gamma-Strahlung durch Annihilation deutlich
höher ist als ohne Kaustiken. Man spricht in diesem Zusammenhang
von einer Verstärkung durch die Kaustiken. Eine niedrige Anzahl
von Streams nahe der Erde würde auf der anderen Seite ein sehr
charakteristisches Signal in den direkten Suchexperimenten
hervorrufen.
Das Hauptwerkzeug der modernen Kosmologie zum Verstehen der kosmischen
Strukturbildung und DM-Verteilung sind kosmologische
Supercomputer-Simulationen. Solche Simulation sind jedoch durch die
derzeit zur Verfügung stehende Rechenleistung der Computer
beschränkt. Daher war es bis jetzt nicht möglich, die
für die Detektion relevanten kleinen Skalen aufzulösen.
Mark Vogelsberger, Simon White, Volker Springel (alle MPA) und Amina
Helmi (Universität Groningen) haben deshalb eine neue
Simulationstechnik entwickelt, um diese kleinen Strukturen in den
derzeitigen N-Körper Simulationen zum ersten Mal sichtbar zu
machen. Die MPA Wissenschaftler haben diese neue Technik in Volker
Springel's GADGET Code, einem der führenden Programme für
kosmologische Simulationen, eingebaut. Abb. 2 demonstriert die
Identifikation von Kaustiken in der DM-Verteilung, was nun erstmals
durch diese neue Technik möglich wurde. Gezeigt wird das Ergebnis
einer Rechnung für einen sphärisch symmetrischen DM Halo.
Die Kurven zeigen die Zahl der Kaustiken, die von einzelnen DM
Simulationsteilchen passiert wurden, während sie sich auf ihrem
Orbit im Halo bewegen. Die grüne Kurve zeigt das Resultat der
neuen Methode, während die rote Kurve das analytische Ergebnis
zum Vergleich zeigt. Es ist sehr beeindruckend, wie gut beide Kurven
übereinstimmen. Dies demonstriert die sehr genaue
Kaustik-Identifikation, die mit Hilfe der neuen Methode möglich
ist. Dies kann nun weiter verwendet werden um die
Kaustik-Verstärkungsfaktoren zur Gamma-Strahlung zu berechnen.
Eine andere Anwendung der neuen Methode ist die Berechnung der
DM-Streamzahl in der Nähe der Erde. Mit Hilfe eines einfachen
Halo-Modells für unsere Milchstraße, das die
radialabhängige Triaxialität des Halos berücksichtigt,
kann mit der neuen Technik eine Streamzahl von circa 100.000
vorhergesagt werden. Der Grund für diese recht hohe Zahl liegt in
dem schnellen Abfall der Dichte individueller Streams. Es zeigt sich,
dass diese Dichten im allgemeinen mit 1/(t/torbital)3
(siehe Abb. 3) im Halo abfallen. Weiter finden sich gerade im inneren
Bereich des Halos auch chaotische Regionen, die dazu führen, dass
die Streamdichte noch deutlich schneller abfällt. Die daraus
resultierenden geringen Streamdichten führen dann zu der hohen
Zahl von Streams nahe der Erde. Daher sollten Detektoren, die nach DM
suchen, eine glatte und nicht klumpige Geschwindigkeitsverteilung
sehen.
Mark Vogelsberger, Simon White, Amina Helmi, Volker Springel
Veröffentlichungen
Mark Vogelsberger, Simon White, Amina Helmi and Volker Springel
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, Volume 385, Issue 1, pp. 236-254.
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