Unsichtbarer Druck mit optischen und Röntgendaten gemessen

Die gravitierende Masse von Galaxien und Galaxienhaufen, die Sterne und Gas zusammenhält, lässt sich sowohl durch optische Beobachtungen der Sterne und wie auch durch Röntgenbeobachtungen des heißen Gases unabhängig messen. Beide Methoden sollten zum gleichen Ergebnis führen, außer wir hätten wesentliche physikalische Effekte übersehen. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA), CfA, IAS und MPE haben die optischen und Röntgendaten für nahe elliptische Galaxien verglichen, um nach solchen unbekannten Effekten zu suchen.

Abb. 1: Optisches (links) und Röntgenbild (rechts) der zentralen elliptischen Galaxie NGC 1399 im Fornax-Haufen.

Abb. 2: Aus Röntgendaten bestimmtes Potential (blaue Kurve), und das aus optischen Daten ermittelte Potential (rote Kurve). Die gute Übereinstimmung zwischen den beiden Kurven legt nahe, dass der Beitrag der niedrigenergetischen kosmischen Strahlung zum Gasdruck 10% nicht übersteigt.

Elliptische Galaxien, aus bis zu einer Trillion (1012) Sternen bestehend, gehören zu den alten Objekten im Universum, und haben sich über die letzten Milliarden Jahre kaum verändert. In solchen stationären Systemen folgen die Sterne gut etablierten Bahnen, die direkt aus der klassischen Mechanik folgen. Insbesondere, wenn man die Geschwindigkeitsverteilung der Sterne und den charakteristischen Durchmesser der Galaxie kennt, lässt sich daraus die Masse der Galaxie bestimmen. Dies ist aber nicht der einzige Weg, um ihre Masse zu ermitteln. Massereiche elliptische Galaxien besitzen oft auch heiße Gasathmosphären, die starke Strahlungsquellen im Röntgenlicht sind. Wenn sich dieses Gas im hydrostatischen Gleichgewicht befindet - sich die gravitative Anziehung der Galaxie also mit dem Druck des Gases im Gleichgewicht befindet - dann kann man das heiße Gas für eine unabhängige Bestimmung der Galaxienmasse benutzen. Dafür müssen wir die Temperatur und die räumliche Verteilung des Gases genau messen.

Mit dem Start des Chandra Röntgen-Observatoriums, dessen Teleskop eine Auflösung von 0.5 Bogensekunden hat, ist die Qualität der Röntgenbilder vergleichbar mit der bodengebundener optischer Aufnahmen geworden (Abb.1), und somit kann die Masse der Galaxie mit beiden Methoden gleich gut bestimmt werden. Wenn die beiden Methoden in ihren Ergebnissen nicht übereinstimmen, lässt dies wertvolle Rückschlüsse auf die Natur des heißen Gases zu. Zum Beispiel ist die Meinung vertreten worden, dass relativistische Protonen - eine schwer zu sehende Komponente der kosmischen Strahlung - oft mit dem thermischen Plasma vermischt sind, das wir in Röntgenstrahlen sehen. Wegen ihrer im Vergleich zu Elektronen großen Masse strahlen Protonen kaum, und so können wir ihr Vorhandensein im Gas nur schwer nachweisen. Wenn jedoch relativistische Protonen einen wesentlichen Teil zum Gasdruck beitragen, vergrößert sich die räumliche Ausdehnung des Gases. Das Endergebnis wäre ein Fehler in der Massenbestimmung - die Analyse der Röntgenstrahlung würde eine kleinere Masse ergeben als die optische Methode.

Dieser Vergleich wurde jetzt für wenige gutuntersuchte elliptische Galaxien durchgeführt. Um die Analyse weniger empfindlich gegenüber Beobachtungsunsicherheiten zu machen, wurde das Gravitationspotential statt der Masse bestimmt, und wie in Abb.2 verglichen. Die aus Röntgen- und optischen Daten abgeleiteten Potentiale kommen einander sehr nahe, mit weniger als 10% Diskrepanz. Dies ergibt direkt eine ähnlich kleine obere Grenze für den Beitrag der kosmischen Strahlung zum Gasdruck. Darüber hinaus ist diese 10% Grenze auch verwendbar, um andere schwer zu messende Effekte zu charakterisieren, wie Abweichungen vom hydrostatischen Gleichgewicht, Gasbewegungen, wesentliche Magnetfelder, oder Fehler in den Modellen für die optische Analyse. Natürlich ist es prinzipiell möglich, dass die verschiedenen Effekte größere Amplituden haben, aber umgekehrte Vorzeichen, so dass sie sich teilweise aufheben würden. Jedoch wäre es eine bemerkenswerte Koinzidenz, wenn die übrigbleibende Diskrepanz zwischen den beiden Potentialbestimmungen dann so klein ausfallen würde. Die Schlussfolgerung ist daher, dass in den meisten sphärischen und regulären Galaxien der Beitrag der kosmischen Strahlung zum Gasdruck klein sein muss. Der nächste Schritt wird sein, kompliziertere Systeme zu untersuchen, und die Röntgenbeobachtungen zu benutzen, um ansonsten schwer messbare Charakteristika ihrer Sternpopulationen zu bestimmen.


Eugene Churazov, William Forman, Alexey Vikhlinin, Scott Tremaine, Ortwin Gerhard, Christine Jones.


Veröffentlichungen:

Eugene Churazov, William Forman, Alexey Vikhlinin, Scott Tremaine, Ortwin Gerhard, Christine Jones, "Non-thermal pressure in M87 and NGC 1399 gas: X-ray vs. optical potential profiles",
2008, eingereicht bei MNRAS, linkPfeilExtern.gifarXiv:0711.4686