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  Aktuelle Forschung :: Juli 2007 Zur Übersicht

Rekombinationslinien des kosmologischen Wasserstoffs von Rotverschiebungen z~1400

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astrophysik (MPA) haben detailierte Berechnungen der durch die Rekombination des kosmologischen Wasserstoffs freigesetzten, heute stark rotverschobenen Strahlung durchgeführt. Fortschritte im Bereich der Radiodetektortechnologie könnten eine Beobachtung dieser kleinen Abweichungen des Spektrums der Kosmischen Mikrowellen Hintergrundstrahlung (CMBR von engl. Cosmic Microwave Background Radiation) von einem perfekten schwarzen Körper möglich machen. Dies würde eine komplementäre Methode zur Bestimmung der Temperatur des CMB sowie der Entropie des Universums eröffnen, und einen direkten Beleg dafür liefern, wie das Universum transparent wurde.

Abb. 1: Rekombinationsspektrum des kosmologischen Wasserstoffs. Bei hohen Frequenzen kann man deutlich die Beiträge der Lyman, Balmer, Paschen und Brackett Linien erkennen. Bei niedrigen Frequenzen überlagern sich die Emissionslinien der α-Übergänge zwischen hochangeregten Niveaus zu einem Kontinuum.

Abb. 2: Rekombinationsspektrum des kosmologischen Wasserstoffs relativ zu der CMB Schwarzkörperstrahlung. Die größte Abweichung von einem schwarzen Körper entsteht bei hohen Frequenzen auf Grund der Lyman-α und 2s-1s Zwei-Photonen Übergänge. Bei niedrigen Frequenzen überschreitet das relative Signal 10-7.

Abb. 3: Illustration der Abhängigkeit der Rekombinationslinien von der Temperatur des CMB. Die absolute Amplitude des Signals verändert sich kaum, aber die Position der Maxima und Minima verschiebt sich entlang der Frequenzachse

Ungefähr 260.000 Jahre nach dem Urknall war das zu Beginn vollständig ionisierte Plasma ausreichend abgekühlt, um die Bildung neutraler Wasserstoffatome zu erlauben. Zu diesem Zeitpunkt war die Temperatur der annähernd isotropen CMB Schwarzkörperstrahlung, welche das Universum anfüllt, auf etwa 3800 K gesunken. Der Rekombinationsprozess ist mit der Freisetzung mehrerer Photonen verknüpft, die bei dem Übergang der Elektronen aus stark angeregten atomaren Zuständen in den Grundzustand emittiert werden. Schon seit etwa 40 Jahren ist bekannt, dass die Kinetik der kosmologischen Rekombination extrem ungewöhnlich ist: Aufgrund der niedrigen Expansionsrate des Universums wird das Entfliehen der Photonen von der Lyman-α Resonanz extrem erschwert. Dadurch kommt dem sehr unwahrscheinlichen Zwei-Photonen Übergang des metastabilen 2s-Levels in den Grundzustand eine entscheidende Rolle für die Kinetik der Rekombination zu. Etwa 57% aller Elektronen in neutralen Wasserstoffatomen haben den Grundzustand über den 2s-1s Zwei-Photonen Zerfall erreicht. Als Folge wird die Kinetik der Rekombination nicht durch Gleichungen, die ein kühlendes Plasma im Saha-Gleichgewicht beschreiben, wiedergegeben, und der Rekombinationsprozess ist stark verzögert. Aufgrund der extrem großen Entropie des Universums (mit etwa 2x109 Photonen pro Baryon) wird das primordiale Plasma außerdem von Photonen dominiert. Dadurch spielen Kollisionen von Atomen mit freien Elektronen und Ionen eine vernachlässigbare Rolle, und die Populationen der hoch angeregten Atomniveaus werden vollständig durch die Strahlungsübergangsraten, einschließlich stimulierter Rekombination und induzierter Emission, definiert.

Detailierte Rechnungen haben es erlaubt, das Spektrum dieser Rekombinationsstrahlung zu ermitteln. Hierbei wurden alle möglichen atomaren Übergänge des Wasserstoffs für Elektronen in angeregten Zuständen mit Hauptquantenzahlen bis zu n=100 berücksichtigt. Das berechnete Spektrum ist aufgrund der Expansion des Universums mehr als 1000-fach rotverschoben, und ursprüngliche UV Photonen erreichen den Beobachter heute im sub-mm Band des elektromagnetischen Spektrums. Übergänge zwischen stark angeregten Zuständen führen zu Photonen die heutzutage bei Radiofrequenzen beobachtbar sein sollten. Gerade in diesem Frequenzband haben experimentelle Techniken im Zusammenhang mit den extrem erfolgreichen Untersuchungen der richtungsabhängigen Temperaturfluktuationen der CMBR unübertroffene Empfindlichkeit erreicht.

Das resultierende Spektrum ist in Abbildung 1 gezeigt. Für Experimentatoren ist das Verhältnis des berechneten Signals zur CMB Schwarzkörperstrahlung entscheidend (vgl. Abb. 2). Vermutlich ist es am besten bei niedrigen Frequenzen, direkt oberhalb von 1.4 GHz, nach dem Rekombinationssignal zu suchen. Dort ist die Linienemission entfernter Galaxien, insbesondere in Verbindung mit der 21 cm Linie des neutralen Wasserstoffs, am geringsten. Die eingefügte Abbildung illustriert die Frequenzabhängigkeit des Rekombinationssignals. Es hat ein besonderes "Muster", welches nicht leicht von anderen astrophysikalische Quellen nachgeahmt werden kann. Daher können Beobachter dieses "Template" benutzen, um das Rekombinationssignal von anderen Signalen zu trennen

Wissenschaftler des MPA schlagen daher einen neuen Typ von CMB Experiment vor: Anstatt den Himmel bei fester Frequenz nach winzigen, richtungsabhängigen Fluktuationen der CMB Temperatur abzusuchen, sollte man die Strahlung von einem großen Bereich des Himmels bei verschiedenen Frequenzen abscannen, und nach der vorhergesagten, charakteristischen spektralen Variabilität suchen. Experimente, die momentan in den USA zur Vermessung der richtungsabhängigen Fluktuation der CMB Temperatur vorbereitet werden, erreichen bereits eine Empfindlichkeit von 10 nK. Das Rekombinationssignal hingegen hat eine Amplitude von 50 bis 100 nK. Zudem ist das diskutierte Spektrum der Rekombinationsstrahlung in allen Richtungen des Himmels gleich.

Die Position der Maxima und Minima im Rekombinationsspektrum hängt stark von der Temperatur des CMB ab. Die bisher einzige genaue Messung der Temperatur des CMB mit Hilfe des COBE Raumsonde wurde 2006 mit dem Nobelpreis für Physik gewürdigt. Es ist wichtig, neue, unabhängige Methoden zur Bestimmung des CMB Monopols zu entwickeln, und die hier diskutierten Rekombinationslinien könnten dafür eine Möglichkeit bieten. Außerdem hängt die Intensität des Rekombinationsspektrums von der Gesamtmenge der Wasserstoffatome im Universum ab, ist jedoch weitgehend unabhängig von den anderen kosmologischen Parametern. Daher könnten es die Rekombinationslinien erlauben, die Entropie des Universums zu bestimmen. Im Prinzip sollte es auch möglich sein das Mengenverhältnis von Helium und Wasserstoff zu messen und die genaue Rekombinationsgeschichte zu rekonstruieren.

In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass die Photonen, welche das Rekombinationssignal bilden, hauptsächlich bei Rotverschiebungen z~1300 und 1400 emittiert wurden, also vor dem Zeitpunkt, an dem das Universum aufgrund der Rekombination transparent wurde und die "letzte Streuung" der CMB Photonen stattfand. Gerade diese letzte Streuung spielt aber für die beobachteten richtungsabhängigen Fluktuationen der CMB Temperatur eine sehr wichtige Rolle. Daher könnte die Existenz der Rekombinationslinien im CMB Spektrum den endgültigen Beweis dafür liefern, dass die Rekombination im Universum so stattgefunden hat, wie wir es aus theoretischer Sicht erwarten.


R.A. Sunyaev und J. Chluba

Veröffentlichungen

Jens Chluba, Rashid Sunyaev "Free-bound emission from cosmological hydrogen recombination"
A&A, 458, L29 (2006)

Jose Alberto Rubiño-Martín, Jens Chluba and Rashid Sunyaev "Lines in the cosmic microwave background spectrum from the epoch of cosmological hydrogen recombination"
Mon. Not. R. Astron. Soc., 371, 1939 (2006)



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Letzte Änderung: 12.12.2007