Wie unterscheiden sich hellste Haufengalaxien von normalen Galaxien?

In den Zentren vieler Galaxienhaufen befindet sich oft eine Galaxie, die heller und massereicher ist als die anderen Galaxien des Haufens (Abb. 1). Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Astrophysik und aus Edinburgh haben untersucht, wie die Umgebung des Haufenzentrums die Eigenschaften dieser hellsten Haufengalaxien (englisch "Brightest Cluster Galaxies", BCG) beeinflusst.

Abb. 1: Das Zentrum des Galaxienhaufens Abell 2244. Die Galaxie in der Mitte ist bei weitem die hellste.

Abb. 2: Beispiele von BCGs, sortiert nach der Masse des Galaxienhaufens (von kleinen Galaxiengruppen oben links zu den massereichsten Haufen unten rechts).

Verschiedene Prozesse spielen eine Rolle in Galaxienhaufen: Zu einem großen Teil bestehen sie aus Dunkler Materie. Des Weiteren befindet sich in ihnen viel heisses Gas (linkPfeil.gif Aktuelle Forschung Mai 2004). Dieses Gas verliert Energie durch Abstrahlung von Röntgenstrahlung, wodurch mehr Gas ins Zentrum fliessen kann (sogenannte "cooling flows", linkPfeil.gif Aktuelle Forschung November 2005). Die Galaxie im Zentrum des Galaxienhaufens befindet sich also auch im Zentrum des Dunkle Materie Halos, wo auch die Gasdichte am höchsten ist. Zudem haben sich diese Galaxien durch Kollisionen und Verschmelzung von mehreren Haufengalaxien gebildet. Das Ziel unserer Untersuchung war es, festzustellen, ob sich BCGs durch diese Einflüsse merklich von normalen Galaxien unterscheiden.

Für 625 Galaxienhaufen im Sloan Digital Sky Survey (SDSS; linkPfeil.gif Aktuelle Forschung April 2002) haben wir die hellste Galaxie im Zentrum identifiziert (Abb. 2). Aus einem Katalog von 200000 Galaxien im SDSS wird jeder BCG eine Kontrollgalaxie zugewiesen, die eine möglichst ähnliche Masse, Rotverschiebung und Farbe (die Farbe einer Galaxie spiegelt das durchschnittliche Alter ihrer Sterne wieder) aufweist. Jeder systematische Unterschied zwischen den BCGs und diesen Kontrollgalaxien kann dann auf den Einfluss des Haufenzentrums zurückgeführt werden.

BCGs sind größer als die Kontrollgalaxien und haben höhere Geschwindigkeitsdispersionen (ein Maß für die Geschwindigkeit der Sterne der Galaxie). Diese Resultate implizieren, dass die BCGs einen höheren Anteil Dunkler Materie enthalten. Dies kann als direkte Konsequenz ihrer Lage im Zentrum eines Dunkle Materie Halos interpretiert werden.

Da die meisten BCGs elliptische Galaxien sind, können wir untersuchen, ob sie den Skalierungsrelationen anderer elliptischer Galaxien folgen. Eine solche Relation ist die Faber-Jackson Beziehung, welche die Helligkeit und die Geschwindigkeitsdispersion verknüpft. Während die Kontrollgalaxien der normalen Faber-Jackson Beziehung folgen, ist der Zusammenhang für BCGs anders. Dies ist eine Bestätigung theoretischer Vorhersagen, nach denen die Form der Faber-Jackson Beziehung für Galaxien, die durch das Verschmelzen anderer Galaxien gebildet wurden, abhängt von den Bahnparametern der Vorgängergalaxien: kollidieren zwei Galaxien frontal, folgt die entstandene Galaxie einer anderen Faber-Jackson Beziehung. Da Galaxienhaufen an den Knoten des "kosmischen Netz" liegen, werden BCGs hauptsächlich durch Galaxienkollisionen entlang der Filamente gebildet, d.h. entlang elliptischer Bahnen.

Zudem finden wir, dass BCGs öfter einen aktiven galaktischen Kern (englisch: active galactic nucleus, AGN), der Radiowellen abstrahlt, enthalten. Dies ist insbesondere deshalb interessant, da solche AGNs den "cooling flows" entgegenwirken können (linkPfeil.gif Aktuelle Forschung November 2005).

Obwohl sich BCGs nicht sonderlich von normalen Galaxien unterscheiden, können wir den Einfluss von drei Charakteristika des Haufenzentrums feststellen: die Dunkle Materie beeinflusst die Struktur, die Bildungsgeschichte äussert sich darin, dass BCGs auf anderen Skalierungsrelation liegen, und das heisse Gas "aktiviert" die Kerne der BCGs öfter als in normalen Galaxien.


Anja von der Linden


Veröffentlichungen

Anja von der Linden, Philip N. Best, Guinevere Kauffmann, Simon D.M. White,
"How special are Brightest Group and Cluster Galaxies?",
Submitted to MNRAS; linkPfeilExtern.gif astro-ph/0611196

Philip N. Best, Anja von der Linden, Guinevere Kauffmann, Timothy M. Heckman, Christian R. Kaiser,
"On the prevalence of radio-loud AGN in brightest cluster galaxies: implications for AGN heating of cooling flows",
Submitted to MNRAS; linkPfeilExtern.gif astro-ph/0611197