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  Aktuelle Forschung :: Juni 2006 Zur Übersicht

Die Sternpopulation naher Galaxien als Zeugen der Galaxienentwicklung

Das Licht von Sternen in Galaxien enthält wichtige Informationen über deren Alter und chemische Zusammensetzung, welche entscheidende Randbedingungen für Modelle der Galaxienentstehung und -entwicklung darstellen. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik haben eine neue Methode zur genauen Messung solcher Sternparameter in Hunderttausenden von Galaxien entwickelt und damit eine vollständige Liste des Alters und der chemischen Zusammensetzung der Galaxien im nahen Universum erstellt.

Abb. 1: Optisches Bild und Spektrum zweier Beispielgalaxien: die elliptische Galaxie NGC 5846 (oben) und die Spiralgalaxie NGC 450 (unten). Die Bilder auf der linken Seite sind aus Aufnahmen in drei optischen Bändern (g,r,i) zusammengesetzt (zur Verfügung gestellt von David W. Hogg, Michael R. Blanton und der Sloan Digital Sky Survey Collaboration). Die zugehörigen optische Spektren sind auf der rechten Seite dargestellt (schwarze Linie). Die Emissionslinien, welche von ionisiertem Gas in der Umgebung junger Sterne erzeugt werden, müssen entfernt werden, um die darunter liegende Sternabsorption genau messen zu können (blaue Linie). Einige der wichtigsten spektralen Merkmale sind hervorgehoben: der charakteristische Sprung bei 4000Å und die Balmer-Linien des Wasserstoffs Hγ und Hβ, deren Stärke mit dem Alter der galaktischen Sternpopulationen verknüpft ist; die Linien Mgb und Fe5335, welche mit der Anteil schwerer Elemente und deren relativen Häufigkeiten in Sternen zusammenhängen. Das Spektrum der ellipstischen Galaxie erscheint rot und zeigt markante Absorptionsmuster, was auf eine alte Sternpopulation hinweist. Dagegen erscheint die Spiralgalaxie blauer und hat relativ schwache Absorptionslinien, was auf eine jüngere Sternpopulation hindeutet.

Abb. 2: Verteilung des Metallgehalts (links) und Alters (rechts) von Sternen als Funktion der stellaren Masse von Galaxien aller morphologischen Typen. Die durchgezogene Linie gibt den Median der Verteilung an, die gestrichelten Linien begrenzen das zentrale 68%-Intervall. Sowohl Alter als auch Metallgehalt steigen mit steigender Sternmasse. Im Bereich von 3·109 bis 3·1010 findet ein scharfer Übergang von jungen metallarmen zu alten metallreichen Sternen statt.

Abb. 3: Die Verteilung lokaler elliptischer Galaxien im Farb-Helligkeitsdiagramm. Farbcodiert sind Metallgehalt (a) und Alter (b) der Sterne, Sternmasse (c) und das Verhältnis von Eisengehalt und Gehalt an α-Elementen (d). Mit steigender Farbe und Helligkeit erhöhen sich auch die Sternmasse, das Sternalter, Metallgehalt und das Verhältnis von Eisen zu α-Elementen.

Die Eigenschaften heutiger Sternpopulation in Galaxien sind das Ergebnis ihrer Sternbildungsgeschichte und chemischen Entwicklung. Die Bestimmung dieser Eigenschaften sollte daher Aufschluss über jene Prozesse liefern, welche den Galaxien ihr heutiges Aussehen gegeben haben. Die integrierten Spektren von Galaxien enthalten wichtige Hinweise auf das Alter ihrer Sternpopulation und ihren Gehalt an schweren Elementen (in der Astrophysik unter dem Begriff "Metalle" zusammengefasst), welche bei Kernreaktionen in Sternen und Supernova-Explosionen entstanden sind und später wieder in nachfolgenden Sterngenerationen eingebunden wurden. Solche Informationen spiegeln sich in der Stärke bestimmter Absorptionsmerkmale wider, welche durch Wasserstoff und schwerere Elemente hervorgerufen werden (siehe Abb. 1) und sich mit dem Alter und der chemischen Zusammensetzung der Sterne in der Galaxie verändern. Diese Sterneigenschaften sind wiederum durch die Sternbildungsrate und den Kreislauf von Produktion, Ausstoß und Wiederverwertung von Metallen in nachfolgenden Sterngenerationen bestimmt. Mit Hilfe von Modellen, welche die Emission einer Population von Sternen unterschiedlichen Alters und chemischer Zusammensetzung beschreiben, können die Absorptionsmerkmale dann in physikalische Eigenschaften der zu Grunde liegenden Sternpopulation übersetzt werden. Um möglichst alle Informationen aus der Stärke der Absorptionsmerkmalen zu erhalten, benötigt man jedoch Modelle mit einer hohen spektralen Auflösung, welche vergleichbar mit der moderner spektroskopischer Himmelsdurchmusterungen ist.

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA) haben mittels eines neuen hoch-auflösenden "Population Synthesis" Modells (siehe linkPfeil.gifHighlight November 2002) optische Spektren einer großen Anzahl naher Galaxien - von inaktiven elliptischen bis zu aktiven sternbildenden interpretiert. Die knapp 200.000 Galaxien umfassenden Daten wurden vom Sloan Digital Sky Survey (linkPfeilExtern.gifSDSS), einem der ambitioniertesten Projekte zur Kartierung des lokalen Universums, zur Verfügung gestellt. Ein neuartiger statistischer Ansatz ermöglichte die simultane Bestimmung physikalischer Parameter wie Alter, Metallgehalt und Gesamtmasse der Sterne für eine sehr große Galaxienstichprobe aus einer begrenzten Zahl optimal ausgewählter Absorptionsmerkmale.

Mit den neuen Alters- und Metallgehaltsbestimmungen für nahe Galaxien und der unübertroffenen Statistik konnten die Wissenschaftler des MPA eine vollständige Übersicht über die physikalischen Parameter heutiger Galaxien und deren Massenabhängigkeit erstellen. Dabei scheinen sich heutige Galaxien grob in zwei Klassen zu gliedern, welche mit Hilfe der am MPA durchgeführten Forschung quantitativ beschrieben werden können: Die eine Klasse umfasst massereiche, alte, metallreiche Galaxien. Die andere Gruppe wird von masse- und metallarmen, jungen Galaxien gebildet (siehe Abb. 2). Die Grenze zwischen den beiden Gruppen liegt bei einer charakteristischen Sternmasse von 3·1010 Sonnenmassen.

Elliptische Galaxien dominieren oberhalb der kritischen Masse. Diese Galaxien haben ihre Sternbildung überwiegend abgeschlossen. Ihre Eigenschaften sind über verschiedene Skalenbeziehungen eng miteinander verbunden. Die Farb-Helligkeitsrelation (siehe Abb. 3) beispielsweise verknüpft die Masse elliptischer Galaxien mit den Eigenschaften ihrer Sternpopulationen. Eine detaillierte Analyse der Beziehung zwischen Alter, Masse und chemischer Zusammensetzung ergab dabei, dass massereiche elliptische Galaxien, deren Sterne früher und in kürzerer Zeit entstanden sind, einen höhere Anreicherungsgrad schwerer chemischer Elemente aufweisen, als massearme.

Alter und chemische Zusammensetzung der Sternpopulationen heutiger Galaxien stellen grundlegende Randbedingungen für Modelle zur Sternbildung und chemischen Entwicklung im Universum dar. Die am MPA durchgeführten Studien an nahen Galaxien bilden dabei einen wichtigen Prüfstein für ähnliche Studien an weiter entfernten Galaxien, welche eine direkte Bestimmung der Sternbildungsgeschichte und chemischen Entwicklung von Galaxien ermöglichen werden.


Anna Gallazzi und Stéphane Charlot


Publikationen:

The ages and metallicities of galaxies in the local universe,
2005, MNRAS, 362, 41 (linkPfeilExtern.gifastro-ph/0506539)

Ages and metallicities of early-type galaxies in the Sloan Digital Sky Survey: new insight into the physical origin of the colour-magnitude and Mg2--σV relations,
MNRAS accepted (linkPfeilExtern.gifastro-ph/0605300)


Weitere Informationen:

Stellar population synthesis at the resolution of 2003,
2003, MNRAS, 344, 1000 (linkPfeilExtern.gifastro-ph/0309134)

linkPfeil.gifMPA/JHU value added catalog


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Letzte Änderung: 1.6.2006