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  Aktuelle Forschung :: November 2006 Zur Übersicht

Neutronenstern-Seismologie stellt Quarksterne in Frage

Die Beschaffenheit von Materie in den extrem dichten Zentralbereichen von Neutronensternen ist für viele Fragen der Teilchenphysik von größter Wichtigkeit. Neutronen könnten in eine Mischung aus up, down und strange Quarks zerfallen und so das bilden, was man einen ``Quarkstern'' nennt. Aber existieren solche Quarksterne wirklich? Eine neue Untersuchung von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Astrophysik und des Los Almos National Laboratory (USA) mit Hilfe der Stellarseismologie gibt Anlass zu Zweifeln.

Abb. 1: Das obere Bild zeigt einen Neutronenstern im Querschnitt mit seiner festen Kruste in gelb und seinem flüssigen Kern in grau. Die Pfeile und Farbmuster auf der Oberfläche zeigen Vibrationsbewegungen. Die Bilder darunter zeigen verschiedene Arten von Krustenschwingungen. In Bild (a) bewegt sich die Kruste hauptsächlich horizontal. Dies ist die mit Torsionschermoden in Verbindung gebrachte Bewegung. In Ausschnitt (b) verläuft die Bewegung radial. Dieser Vibrationstyp sollte viel schwerer anzuregen zu sein.

Abb. 2: Frequenzen von Torsionsschermoden für zwei verschiedene Krustenmodelle von Quarksternen. In einem Modell besteht die dünne Kruste aus normaler Materie (oben), im anderen Fall existieren Klümpchen von Materie aus strange Quarks (unten). Im oberen Bild gibt die schwarze Linie die Schwingungsfrequenz der niedersten Mode (Grundmode) an, die blaue, gestrichelte Linie stellt den beobachteten Wert dar. Die rote Linie zeigt die Vorhersage für die erste radiale Oberschwingung und die grüne, gestrichelte Linie die Messung. Für die Kruste mit Quarkmaterieklumpen (unten) sagen die Modelle Frequenzen voraus, die von der Masse der strange Quarks abhängen und in den durch Farben markierten Bereichen liegen. Im Fall der dünnen Kruste normaler Materie ist die Grundfrequenz immer höher als der gemessene Wert, für die Klümpchenkruste ist sie immer niedriger. Die theoretisch vorhergesagten Oberfrequenzen sind immer viel höher als die Messwerte. Auch wenn die Sternmasse, der Sternradius und die Temperatur des Sterns verändert werden, kommt man zur gleichen Schlussfolgerung.

Mit dieser Methode werden Beobachtungen von gigantischen Röngtenstrahlenausbrüchen, den sog. Soft Gamma Repeaters, die zu den spektakulärsten Ereignissen im Universum zählen, analysiert. Man glaubt dass es sich bei den stellaren Quellen dieser Ausbrüche um Magnetare handelt, das sind Neutronensterne mit den stärksten bekannten Magnetfeldern. Diese Felder zerfallen und verschlingen sich, wodurch sie in periodischen Abständen instabil werden. Bisweilen reißen die Feldlinien und formen sich neu und verursachen so Ausbrüche von weicher Gammastrahlung.

Die Magnetfeldlinien sind fest mit der äußeren Kruste des Neutronensterns verbunden und sollten, wenn sie reißen, auch die Kruste aufbrechen. Es wird schon seit längerem erwartet, dass dies seismische Vibrationen im Neutronestern auslösen könnte. Berechnungen zeigten, dass ein spezieller Typ von Vibrationen, sog. Torsionsschermoden, mit höchster Wahrscheinlichkeit angeregt werden sollten (Abb.1). Einen Beweis für diese These brachte Ende 2004 die Beobachtung von hochfrequenten Oszillationen in einem besonders energiereichen Ausbruch des Soft Gamma Repeaters SGR 1806-20. Ein ähnliches Phänomen wurde nachträglich in Daten eines früheren Ausbruchs bei einem anderen Neutronenstern entdeckt. Die gemessenen Frequenzen stimmten mit den Vorhersagen für Torsionsschermoden gut überein.

Die Frequenzen der seismischen Aktivitäten verraten viel über den Aufbau und die Dicke der äußeren Kruste (siehe Research Highlight vom Mai 2006). Sie geben aber auch Aufschluss über die Materie tief im Innern des Neutronensterns. Der Druck ist dort so hoch, dass Neutronen nicht mehr in Atomkernen, sondern frei existieren und sich eventuell sogar in ihre Quarks aufspalten. Berechnungen des US Wissenschaftlers Ed Witten in den 1980er Jahren sagten voraus, dass sich unter diesen Umständen eine stabile Flüssigkeit aus up, down und strange Quarks bilden könnte, ein Quarkstern. Obwohl seitdem viele Anstrengungen unternommen wurden, herauszufinden, wie man Quarksterne von normalen Neutronensternen unterscheiden könnte, besteht darüber bis heute keine endgültige Klarheit.

Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal der beiden Typen kann die Beschaffenheit der Krustenmaterie sein, durch welche sich die Frequenzen seismischer Vibrationen verändern. Zudem sollte die Kruste eines Quarksterns viel dünner sein, was sich deutlich auf die hochfrequenten Oberschwingungen auswirken muss. Aus diesem Grund fragten Anna Watts vom Max-Planck-Institut für Astrophysik und ihr Kollege Sanjay Reddy vom Los Alamos National Laboratory sich, ob die Magnetarbeobachtungen mit den Eigenschaften von Quarksternen verträglich sind. Nun haben die beiden Wissenschaftler erstmals die Frequenzen von Torsionsschermoden für die Krusten von Quarksternen berechnet. Obwohl viele freie Parameter variiert wurden, kann kein Krustenmodell eines Quarksterns die Beobachtungen erklären, im Gegensatz zu Neutronensternmodellen (Abb.2).

"Dies ist ein sehr wichtiges Ergebnis für uns" sagt Watts. "Unsere Berechnungen sagen einen deutlichen Unterschied zwischen den Vibrationsfrequenzen von Quarksternkrusten und Neutronensternkrusten voraus. Falls die seismologische Interpretation der Beobachtungsdaten richtig ist --- und im Moment gibt es keine bessere Erklärung --- haben wir eine sehr gute Methode gefunden, um die Existenz von Quarksternen auszuschließen."


Anna Watts and Sanjay Reddy


Veröffentlichung

A.L.Watts & S. Reddy:
"Magnetar QPOs pose challenges for strange stars",
Physical Review Letters, eingereicht; linkPfeilExtern.gifastro-ph/0609364



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Letzte Änderung: 30.10.2006