Magnetische Turbulenz in Herzen von Galaxienhaufen

Einem Team von Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Astrophysik ist es erstmals gelungen, Turbulenz in den Magnetfeldern in den zentralen Gasmassen eines Galaxienhaufens nachzuweisen und zu vermessen. Die Stärken und Längen magnetischer Wirbel unterstützen neuere Theorien über das hoch komplexe Innenleben in den Herzen von Galaxienhaufen, wo die Gasmassen und ein massives Schwarzes Loch zyklisch Materie und Energie austauschen.

Abb. 1: Das Zentrum des Hydra-Galaxienhaufens. Durch die heißen, violett dargestellten Gasmassen pflügen sich zwei radio-leuchtende, grün dargestellte Gasblasen, die von dem zentralen Schwarzen Loch ausgeworfen werden. Credits: X-ray: NASA/CXC/SAO; Radio: Greg Taylor (NRAO).

Abb. 2: Die neue Theorie der Materie- und Energieströme in Herzen von Galaxienhaufen. Innerhalb des dichten inneren Bereiches des Galaxienhaufens (violett) kühlt Gas aus und stürzt durch die zentrale Galaxie (gelb), zu deren zentralen massiven Schwarzen Loch (schwarz). Dieses reagiert auf das einstürzende kalte Gas durch den Auswurf von ultra-heißen, Radiostrahlung emittierenden Gasstrahlen, die zwei Radioblasen aufblähen (grün). Die Blasen treiben auf und regen turbulente Bewegungen im Gas des Galaxienhaufens an (rote Pfeile). Die Gasbewegung heizt das gekühlte Gas wieder auf und verzögert den Gaseinsturz auf das Schwarze Loch. Gleichzeitig formen die Gaswirbel die turbulenten Magnetfelder, die durch Faraday-Rotation beobachtet werden können.

Abb. 3: Die polarisierte Radiostrahlung der Gasblasen (grüne Elipsen) wird durch die Magnetfelder (grüne Linie) im Gas des Galaxienhaufens (rot) durch den Faraday-Effekt gedreht. Diese Drehung ist durch Multifrequenzmessungen mit Radioteleskopen beobachtbar und erlaubt die Konstruktion von Karten der Faraday-Rotation. Diese Karten zeigen die Projektion der im Raum vor den Radioblasen (blau-grau schattiert) vorhandenen Magnetfelder. Eine Analyse dieser Karten erlaubt Rückschlüsse auf die Struktur der Magnetfelder.

Abb. 4: Karte der Faraday-Rotation der nördlichen Radioblase im Hydra-Galaxienhaufen. Blaue Gebiete haben vornehmlich zur Erde hin orientierte Magnetfelder, während rote Gebiete im wesentlichen von uns weg zeigende Magnetfelder haben. Die Größenverteilung der sichtbaren Faraday-Strukturen gibt Aufschluss über die typischen Längen der Magnetfeldwirbel im Galaxienhaufen (die Karte wurde mit dem PACERMAN Programm erzeugt).

Abb. 5: Leistungsspektrum der Magnetfelder im Hydra-Galaxienhaufen (grüne Datenpunkte) aus der Analyse der Daten in Abbildung 4. Ein Leistungsspektrum zeigt wie stark magnetische Wirbel mit bestimmten räumlichen Abmessungen ausgeprägt sind. Die räumlich großen Wirbel befinden sich links, und die räumlich kleinen Wirbel rechts im Diagramm. Besonders stark sind Wirbel mit rund 10.000 Lichtjahren Abmessung (3 kpc) vertreten. Dies passt gut dazu, dass sie durch Turbulenz von den etwa 3 — 10 mal größeren Radioblasen erzeugt werden. Auf kleinen Skalen folgen die Magnetfelder einem Kolmogorov-Spektrum (rote Linie), wie es für Turbulenz typisch ist. Dies ist der erste direkte Nachweis von magnetischer Turbulenz in Galaxienhaufen.

Die zehn Millionen Grad heißen Gasmassen in Zentren von Galaxienhaufen strahlen ihre Hitze in Form von Röntgenstrahlung ab, die es erlauben die Gase mit Röntgenteleskopen abzubilden (Abbildung 1). Sobald das Gas ausgekühlt ist, stürzt es unter der Anziehungskraft der zentralen Galaxie des Haufens in diese hinein. In deren Zentrum findet sich ein bis zu einigen Milliarden Sonnenmassen schweres Schwarzes Loch, welches das meiste des auf es hereinstürzenden Gases verschlingt und dabei noch etwas massiver wird. Gleichzeitig werden dadurch am Schwarzen Loch ungeheuerliche Energiemengen freigesetzt, es werden gewaltige Mengen von ultra-heißem, radio-leuchtendem Gas ausgeworfen. Dieses Gas bildet im Galaxienhaufen Blasen (Abbildungen 1 und 2), die wegen ihrer geringen Dichte schnell durch das Galaxienhaufengas aufsteigen. Das umliegende Gas des Galaxienhaufens stürzt an den Blasen vorbei. Doch die gegenläufigen Gasbewegungen führen zu Turbulenz aus kleineren Wirbeln, die letztendlich das kühlende Gas des Galaxienhaufens wieder mit Wärme versorgen. Durch das Aufheizen wird verhindert, dass das gesamte Gas katastrophal schnell in der zentralen Galaxie kollabiert. Doch nur für einen kosmischen Moment wird der Gaseinsturz verzögert, denn die Turbulenz klingt ab, die Heizleistung lässt nach und die Kühlung des Gases durch Abstrahlung von Röntgenstrahlen gewinnt wieder die Oberhand. Nun beginnt ein neuer Herzschlag im Galaxienhaufen: Indem Gaswolken erneut auf das Schwarze Loch einstürzen nimmt ein neuer Zyklus seinen Lauf...

Soweit die neueste Theorie zu dem komplexen Innenleben der Herzen von Galaxienhaufen. Aber kann sie durch Beobachtungen bestätigt werden? Das kühlende Gas kann mit Hilfe von Röntgensatelliten beobachtet werden, die Radiostrahlung der Blasen liefert imposante Bilder für irdische Radioteleskope (Abbildung 1), und auch die gigantischen Schwarzen Löcher konnten indirekt nachgewiesen werden. Aber gibt es wirklich die Turbulenz im Gas die dieses letztendlich wieder aufheizen soll? Direkte Nachweise fehlten bis jetzt.

Ein indirekter Beleg konnte nun mittels des Nachweises von magnetischer Turbulenz in dem Gas des Hydra-Galaxienhaufens durch Dr. Corina Vogt und Dr. Torsten Enßlin am Max-Planck-Institut für Astrophysik geliefert werden. Die Bewegungen des Gases im Galaxienhaufen sollten Magnetfelder, die mit dem heißen Gas verwoben sind, strecken, aufwickeln und verstärken. Die Theorie sagt voraus, dass die Magnetfeldwirbel etwas schwächer und kleiner sind als die Gaswirbel. Dadurch erlaubt eine Vermessung der magnetischen Wirbel Aussagen über die Turbulenz im Gas.

Die Vermessung der magnetischen Turbulenz erfolgte durch eine statistische Analyse von so genannten Faraday-Rotationskarten. Faraday-Rotation ist die Drehung der Polarisationsrichtung von Radiostrahlung während diese durch magnetisiertes Gas fliegt. Die Stärke dieser Drehung hängt von der Stärke der Magnetfelder entlang des Weges der Radiostrahlung ab. Durch Multifrequenzbeobachtungen mit Radioteleskopen kann diese Faraday-Rotation gemessen werden. Damit bekommt man ein zweidimensionales Abbild der dreidimensionalen Magnetfelder zwischen der Radioquelle und der Erde (Abbildung 3). Beobachtungen der Radioblasen im Hydra Galaxienhaufen erlauben daher eine Kartierung der dortigen Magnetfelder (Abbildung 4). Diese gibt bereits einen Eindruck von chaotischen Magnetfeldstrukturen. Aber sind die Magnetfelder auch in dem Maße turbulent, wie es durch die theoretisch vorhergesagte turbulente Gasbewegung erwartet wird?

Eine detailierte statistische Analyse der Faraday-Rotations-Karte zeigt, dass die typischen Längen, aber auch die typischen magnetischen Feldstärken perfekt zu der noch unentdeckten, aber erwarteten Turbulenz passen (Abbildung 4). Die stärksten magnetischen Wirbel sind etwa 10.000 Lichtjahre groß und damit wie erwartet etwas kleiner als die etwa 30.000 - 100.000 Lichtjahre großen Radioblasen. Die Wirbel haben auch etwa die erwartete Stärke von einem Hunderttausendstel des Erdmagnetfeldes (letzteres ist etwa ein Gauß stark). Mehr noch, die Statistik der kleinen Magnetfeldwirbel folgt dem für Turbulenz universell gültigen Kolmogorov-Spektrum. Diese gibt an, in welchem Maße die Stärke turbulenter Wirbel abnimmt mit abnehmenden Abmessungen der Wirbel (Abbildung 5). Das Kolmogorov-Spektrum ist praktisch ein Fingerabdruck von turbulenten Gasbewegungen. Die Entdeckung des Kolmogorov-Spektrums in der Statistik der magnetischen Wirbel bedeutet, dass tatsächlich die vermutete Turbulenz im Gas des Hydra-Galaxienhaufens zugegen ist und somit dem dortigen Gas die durch Röntgenstrahlungskühlung entzogene Hitze zurück geben kann. - Eine erste Bestätigung der neuen Theorie der Energie- und Materieströme in Herzen von Galaxienhaufen.


Torsten Enßlin, Corina Vogt


Weitere Informationen:

C. Vogt, T.A. Enßlin: linkPfeilExtern.gifA Bayesian view on Faraday rotation maps - Seeing the magnetic power spectra in galaxy clusters, 2005, A&A, 67, 434.

T.A. Enßlin, C. Vogt: linkPfeilExtern.gifMagnetic turbulence in cool cores of galaxy clusters, 2005, A&A, submitted.