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Neue Computermodelle zur Berechnung der Explosionen von Supernovae
Ia führen zur Zeit zu einem Durchbruch auf diesem Gebiet.
Friedrich Röpke und Wolfgang Hillebrandt vom MPA simulieren
dreidimensional die thermonukleare Explosion und die damit
verbundene komplette Zerstörung eines Weißen Zwerges. Bei
dieser Explosion wird der Weiße Zwerg, der ursprünglich fast
nur aus Kohlenstoff und Sauerstoff bestand, in schwerere Elemente bis
hin zu Eisen und Nickel umgewandelt, und bereits wenige Sekunden
nach dem Zünden der Explosion ist die Atomkernfusion abgeschlossen
und die Supernovamaterie expandiert homolog, d.h. gleichförmig mit
einer Geschwindigkeit, die proportional zum Abstand vom
Explosionszentrum ist. Weil die Effizienz der Kernverschmelzung von
den Umgebungsbedingungen wie Temperatur und Dichte abhängt,
erlaubt die Bestimmung der chemischen Zusammensetzung der
Explosionswolke Rückschlüsse auf die Vorgänge, die zur
Explosion geführt haben.
Parallel zu den Simulationen der Explosion werden deshalb im Rahmen
eines von der Europäischen Union geförderten "Research Training"
Netzwerks (RTN) The Physics of Type Ia Supernovae umfangreiche
Beobachtungen relativ naher Supernovae durchgeführt. Mit Hilfe der
gewonnenen Daten werden einerseits die physikalischen Eigenschaften
der Supernovae aus Beobachtersicht untersucht, und andererseits dienen
sie zum Test der theoretischen Modelle. Hier spielen synthetische
Spektren eine herausragende Rolle. Insbesondere durch eine neue
Methode, bei der die Elementhäufigkeiten individueller Supernovae
schichtweise aus der Beobachtung rekonstruiert werden können, lassen
sich erstmals Explosionsmodelle auch quantitativ überprüfen.
Bei diesem Verfahren wird eine Serie von beobachteten Spektren, die in
Abständen von wenigen Tagen aufgenommen wurden und in ihrer
zeitlichen Abdeckung von einigen Tagen nach der Explosion bis etwa ein
Jahr danach reichen, mit Hilfe von Computermodellen simuliert. Jeder
dieser Epochen wird eine sogenannte "Photosphäre"
zugeordnet, oberhalb derer die Hülle weitgehend durchsichtig
("optisch dünn") ist, während die Photonen
unterhalb dieser Schicht aufgrund der optischen Dicke gefangen
bleiben. Als Folge der stetigen Expansion der Supernovamaterie wandert
die Photosphäre immer weiter nach innen, d.h. zu immer
niedrigeren Geschwindigkeiten, bis sie einige Zeit nach der maximalen
Helligkeit ganz verschwindet und die Supernovahülle komplett
durchsichtig wird.
Aus der Simulation des frühesten Spektrums lassen sich die
Elementhäufigkeiten oberhalb dieser ersten Photosphäre
bestimmen. Diese werden für die folgenden Berechnungen
gespeichert. Nur die Häufigkeiten der neu hinzugekommenen Schicht
zwischen erster und zweiter Photosphäre werden anhand des zweiten
Spektrums ermittelt. Wird dieses Verfahren konsequent auf die
gesamte zeitliche Reihe von Spektren angewandt, erhält man eine
detaillierte Schichtung der Elementhäufigkeiten in der Supernova,
die dann mit den Vorhersagen der Explosionsmodelle verglichen werden
können.
Die Supernova SN 2002bo (s. Abb. 1) eignet sich hervorragend für
diese Analyse. Eine enge zeitliche Abfolge von Beobachtungen
zwischen ca. 13 Tage vor Maximum bis etwa 10 Tage nach Maximum, sowie
zwei Spektren der sogenannten Nebelphase machen dies möglich.
Exemplarisch für die 13 Modelle, die gerechnet wurden, zeigt
Abb. 2 ein Spektrum, aufgenommen in der Nähe des optischen
Maximums. Das gemessene Spektrum reicht vom Ultravioletten bis ins
nahe Infrarot. Aus den Absorptionslinien und deren Tiefe lassen sich
die Elementhäufigkeiten ableiten, die in dem synthetischen (rot
gezeichneten) Spektrum bekannt sind.
Die Analyse aller gerechneten Spektren ergibt die Häufigkeiten
der in der Supernova vorkommenden Elemente in Abhängigkeit ihrer
Expansionsgeschwindigkeit (Abb. 3). Deutlich zu sehen ist die
Aufteilung nach schweren Elementen (Eisen, Nickel, Titan und Chrom) im
Zentrum der Supernova, den mittelschweren Elementen (Silizium,
Kalzium, Magnesium) in den weiter außen liegenden Schichten und
unverbrannten Materials (im wesentlichen Sauerstoff) in den
äußersten Schalen. Interessanterweise gibt es eine
Überlappung der verschiedenen Zonen, die auf eine Durchmischung
als Folge der Explosion zurückzuführen ist. Ohne diesen
Effekt ließen sich die gemessenen Spektren nicht in dieser
Qualität reproduzieren. Inzwischen gibt es zahlreiche Indizien,
inbesondere auch aus den Explosionsmodellen, dass diese Durchmischung
weniger ein globaler Effekt ist, sondern dass er sich vielmehr als
lokales Phänomen erklären lässt. Somit zeigt sich hier
deutlich der dreidimensionale Charakter der Supernovaexplosionen. Die
Spektren, und damit verbunden auch die Elementhäufigkeiten,
sollten also leicht unterschiedlich erscheinen, wenn man eine
Supernovae aus verschiedenen Richtungen beobachten könnte.
Um genauere Aussagen über die Richtigkeit der Explosionsmodelle
zu bekommen, ist es wichtig, absolute Elementhäufigkeiten und deren
Verteilung zu bestimmen. Insbesondere der Gehalt und die Verteilung
von radioaktivem 56Ni, das die Explosionsenergie und auch die
maximale Helligkeit bestimmt, ist ein bedeutender Aspekt.
Diese Fragen werden sich in naher Zukunft beantworten lassen, wenn
wir eine Vielzahl von Supernovae auf gleiche Weise analysiert haben.
Auch die Entwicklung von Computerprogrammen, die die Spektren
dreidimensional simulieren, wird sehr hilfreich sein. Damit wiederum
lassen sich die Unsicherheiten der Entfernungsbestimmung mit Hilfe
von Typ Ia Supernovae stark reduzieren, und die kosmologischen
Konsequenzen werden ein stabileres Fundament erhalten.
M. Stehle, P.A. Mazzali, W. Hillebrandt
Weitere Informationen:
M. Stehle, P.A. Mazzali, S. Benetti, W. Hillebrandt, Abundance
stratification in Type Ia Supernovae: I. The case of SN 2002bo,
2005, MNRAS, 360, 1231
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