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Galaxien sind die Bausteine des Universums, bestehen jedoch nur zu
einem kleinen Teil aus normaler Materie wie Sternen und Gas. Ihr
Hauptbestandteil ist "Kalte Dunkle Materie", deren Präsenz nur
durch ihre gravitative Anziehung festgestellt werden kann. Seit ihrer
Entdeckung streben Astronomen danach, ein Modell der Dunklen Materie
zu entwickeln, welches sowohl die großräumige Verteilung
der Galaxien im Universum als auch die Eigenschaften der einzelnen
Galaxien erklären kann. Anhand von Simulationen an modernen
Supercomputern können Theoretiker die Entwicklung der
Materieverteilung vom Urknall bis heute verfolgen (siehe Die größte N-Teilchen Simulation des
Universums). Diese Simulationen zeigen, dass
Galaxienentwicklung, die von Dunkler Kalter Materie angetrieben wird,
von kleineren zu größeren Strukturen passiert. Zuerst
bilden sich kleine Zwerggalaxien, welche dann zu immer
größeren Systemen verschmelzen. Dieses Szenario legt
Galaxienentwicklung als kontinuierlichen Prozeß
nahe. Große Galaxien wie unsere Milchstraße müssten
etwa hundert Zwerggalaxien "gefressen" haben, welche in ihr
Gravitationsfeld geraten sind (dieser Prozeß müsste immer
noch stattfinden). Durch diesen Kannibalismus werden Sterne der
kleinen Begleitgalaxien in lange Gezeitenströme gezogen, welche
für mehrere Milliarden Jahre bestehen können und so einen
lang sichtbaren Hinweis auf diesen Prozeß geben (siehe Abb. 1).
Dieser Ablauf der Galaxienentstehung macht mehrere Vorhersagen, die mit
Beobachtungen verglichen werden können. Insbesondere muß das Modell auf
kleinen Skalen ("Galaxiengrößen") getestet werden, wo neben der
Gravitation komplizierte astrophysikalische Prozesse wie Sternentstehung
und Gasphysik eine wichtige Rolle spielen. Die ausführlichste Information
über die Entstehungsgeschichte einer Galaxie kann über ihre Sterne
gewonnen werden, indem deren räumliche Verteilung, ihr Alter,
Metallizitäten und Geschwindigkeiten bestimmt werden. Alte Sterne sind
in dieser Hinsicht besonders interessant, da sie die Zustände bei ihrer
Geburt vor mehr als 5 Milliarden Jahren reflektieren, einem frühen
Stadium der Galaxienentwicklung. Untersuchungen dieser "Fossilien"
wurden traditionell hauptsächlich innerhalb der Milchstraße
durchgeführt, da es hier am einfachsten ist, Sterne individuell zu
studieren. Mit neuen Teleskopen und Instrumenten ist es jedoch inzwischen
möglich, diese Methoden auf andere, nahe, Galaxien anzuwenden. Dadurch
kann festgestellt werden, wie repräsentativ die Milchstraße ist und
wie der Entstehungsprozeß von Galaxienmasse, Morphologie und Umgebung
abhängt.
Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik nehmen an einem
internationalen Projekt teil, welches die alten Sternströme als
Zeugen der Galaxienentstehung und -entwicklung in unseren nächsten zwei
großen Nachbargalaxien, M31 und M33, untersucht. Jeweils etwas 800
kiloparsec (2.5 Millionen Lichtjahre) von uns entfernt, sind diese Galaxien
nah genug, um ihre Sterne mit bodengebundenen Teleskopen wie dem Isaac
Newton Teleskop auf La Palma aufzulösen. Die Wissenschaftler führen
Großfeldstudien von Roten Riesensternen in den äußeren Regionen dieser
Galaxien durch und finden überaschende Resultate. Abb. 2 zeigt dass
die Verteilung der Sterne in den äußeren Regionen von M31 deutlich
inhomogen ist. Ein ausgeprägter Sternstrom dehnt sich nach Südosten
aus; er scheint etwa 100 kpc hinter M31 anzufangen. Ebenso gibt es einen
Ring aus Sternen, welcher seinen Ursprung scheinbar in der
Zwergbegleitgalaxie NGC205 hat, sowie weitere Sternanhäufungen. Mit der
Advanced Camera for Surveys an Bord des Hubble Space Telescope wurden
detaillierte Nachbeobachtungen dieser Strukturen aufgenommen, welche
klare Unterschiede in Alter und Metallizität der Sterne zeigt. All diese
Beobachtungen weisen darauf hin, dass sich in den Außenregion von M31
Überreste einer, möglicherweise zweier, kannibalisierter Zwerggalaxien
befinden. Andererseits zeigt eine identische Untersuchung der
masseaermeren Galaxie M33 eine sehr glatte Sternverteilung sowie keinerlei
Anzeichen von Substrukturen (siehe Abb. 3). Entgegen einfachen Annahmen
scheint M33 ein System zu sein, welches für lange Zeit wenig Zuwachs an
(leuchtender) Materie hatte.
Das Verständnis des Ursprungs der Unterschiede zwischen M31 und M33,
sowie die Feststellung, welche der beiden typischer ist, bedürfen sowohl
weiterer Beobachtungen als auch
verfeinerten theoretischen Vorhersagen. Den MPA Wissenschaftlern wurde dafür
bereits Beobachtungszeit am Very Large Telescope der Europäischen
Südsternwarte und dem japanischen Subaru Teleskop zugewiesen um diese
Studien auf weitere benachbarte Galaxien auszuweiten.
Annette Ferguson
Weitere Informationen:
Isaac Newton Group of Telescopes
The Hubble Space Telescope
The Subaru Telescope
A. M. N. Ferguson, M. J. Irwin, R.A. Ibata, G. F. Lewis & N. R. Tanvir:
Evidence for Stellar Substructure in the Halo and Outer Disk of M31, 2002, AJ, 124, 1452
A. M. N. Ferguson, R. A. Johnson, D. C. Faria, M. J. Irwin, R. A. Ibata, K. V. Johnston,
G. F. Lewis & N. R. Tanvir:
The Stellar Populations of M31 Halo Substructure, 2005, ApJL, submitted
A. M. N. Ferguson, M. J. Irwin, R.A. Ibata, G. F. Lewis, A. McConnachie & N. R. Tanvir:
A Global Map of the Stellar Populations In and Around M33, 2005, MNRAS, submitted
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