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  Aktuelle Forschung :: April 2004 Zur Übersicht

Blick ins Innerste einer Supernova

Mit Hilfe der gegenwärtig detailiertesten und umfangreichesten Computersimulationen von Supernovaexplosionen massereicher Sterne haben Forscher am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München das zu erwartende Gravitationswellenssignal dieser Ereignisse berechnet.



Abb. 1: Größenverhältnisse in einem blauen Riesenstern von etwa 20 Sonnenmassen. Der Radius des Sterns beträgt etwa 30 Millionen Kilometer, während sein Kernbereich zu Beginn des Kollaps etwa zehntausandmal kleiner ist (Radius von einigen tausend Kilometern). Der durch den Kollaps entstehende Neutronenstern ist nochmals etwa hundertmal kleiner. Im Maßstab 1 zu 1000000 hätte der Neutronenstern die Größe einer Murmel. Befände sich diese Murmel auf dem Marienplatz im Zentrum von München, so wäre die Oberfläche des Sterns in der 30km entfernten Stadt Freising zu finden.



Abb. 4: Gravitationalwellen von der berühmten Supernova 1987A, die in der Grossen Magellanschen Wolke in einer Entfernung von rund 150.000 Lichtjahren explodiert ist, wären mit dem LIGO II Interferometer-Experiment nachweisbar gewesen (siehe linkPfeil.gifGravitationswellenausbrüche bei Supernovaexplosionen). Die Abbildung zeigt eine Aufnahme durch das Weltraumteleskop Hubble (Space Telescope Science Institute, Hubble Heritage Team, AURA/STScI/NASA).

Supernovae sind gigantische Explosionen von roten oder blauen Riesensternen, die man noch in Entfernungen von Millionen von Lichtjahren beobachten kann. Sie leuchten für mehrere Wochen so hell wie eine ganze Galaxie, die aus Hunderten von Milliarden Sternen besteht. Das optische Spektakel beginnt, wenn die Explosionswelle, die im von aussen nicht sichtbaren Sternzentrum ausgelöst wird, die oberflächennahen Schichten des Sterns erreicht. Da Riesensterne extrem groß sind (Radien von 30 bis 500 Millionen km), setzt der spektakuläre Ausbruch erst Stunden nach dem eigentlichen Beginn der Katastrophe ein, obwohl die Explosionswelle mit Geschwindigkeiten von einigen 10000km/sec durch den Stern rast. Im Zentrum des Sterns kollabiert der ausgebrannte stellar Kern, der eine Masse besitzt, die etwas größer als die unsere Sonne ist, in Bruchteilen einer Sekunde zu einem Neutronenstern (Fig.1). Die dabei frei werdende Energie verursacht die Supernovaexplosion.

Die einzigen Möglichkeiten, direkte Informationen über die Vorgänge im Zentrum einer Supernova zu bekommen, sind Beobachtungen von Neutrinos, die beim Entstehen des Neutronensterns in riesiger Zahl ausgesandt werden, und von Gravitationswellen. Letztere werden immer dann erzeugt, wenn der Kollaps nicht perfekt sphärisch verläuft. Im Gegensatz zu elektromagnetischen Wellen, die Schwingungen des elektromagnetischen Feldes in Raum und Zeit sind, schwingt im Falle von Gravitationswellen das Raumzeitgefüge selbst. Nach Einstein, der die Existenz von Gravitationswellen erstmals vorhergesagt hat, werden Gravitationswellen immer erzeugt, wenn sich Materie (oder äquivalent dazu Energie) nicht kugelsymmetrisch verteilt ist und beschleunigt bewegt. Die Entstehung starker, d.h. messbarer Signale erfordert aber extrem starke Gravitationsfelder und sehr schnelle Bewegungen mit fast Lichtgeschwindigkeit. Beide Bedingungen sind zum Beispiel im Falle von Supernovae oder bei der Kollision zweier Neutronensterne erfüllt.

Die Forscher am Max-Planck-Institut für Astrophysik konnten zeigen, dass eine Supernova, die in unserer Milchstraße oder in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft explodiert, ein Gravitationswellensignal aussendet, das man mit den linkPfeilExtern.gifGravitationswellendetektoren, die zur Zeit in Betrieb oder im Aufbau sind, nachweisen kann. Bisher war man davon ausgegangen, dass der Hauptbeitrag zum Gravitationswellensignal dann entsteht, wenn der Kollaps des rotierenden stellaren Kerns beim Erreichen von Neutronensterndichten abrupt gebremst wird (Rückprallsignal). Nach der neuen Studie sind aber turbulente Massenbewegungen (Fig.2), die im Innern und um den entstehenden Neutronensterns herum auftreten, die wichtigste Quelle von Gravitationswellen (Fig.3). Besonders interessant ist dabei, dass die turbulenten Plasmaströmungen unabhängig davon auftreten, ob der Stern rotiert oder nicht, also stellare Kerne starke Gravitationswellensiganle auch dann produzieren, wenn sie nicht durch Rotation deformiert sind. Die heftigen Massenbewegungen wühlen dabei große Bereiche im Sterninnern auf, so dass die dort entstehenden Neutrinos ebenfalls asphärisch aus dem Stern entweichen und daher ein starkes Gravitationswellensignal erzeugen. Aufgrund dieser Tatsachen gehen die Max-Planck-Forscher davon aus, dass eine gleichzeitige Messung des Gravitationswellen- und des Neutrinosignals einer galaktischen Supernova entscheidende direkte Informationen über die Vorgänge im "Herz" einer Supernova liefern wird.

Ewald Müller

Literatur:
Müller, E., Rampp, M., Buras, R., Janka, H.-T. und Shoemaker, D.H., Astrophysical Journal 603 (2004) 221-230





Abb. 2: Vier Momentaufnahmen, die die heftigen Materiebewegungen in einem rotierenden Supernovamodell illustieren. Die Kantenlänge der Einzelbilder beträgt 600 km und die Zahl in der linken oberen Ecke gibt die Zeit an (in tausendstel Sekunden), die seit dem Zeitpunkt maximaler Kompression (Rückprall) verstrichen ist. Rote und orange Regionen stellen aufsteigende Blasen von heißer Materie da. Die Position der Explosionswelle ist durch den scharfen Übergang von grün nach blau gegeben. Die blaue, elliptische Struktur im Zentrum markiert den sich bildenden Neutronstern, der durch die Wirkung der Zentrifugalkräfte abgeflacht ist.



Abb. 3: Vorhergesagtes Gravitationswellensignal infolge heftiger Materiebewegungen (dicke Linie) und nichtsphärischer Neutrinoemission (dünne Linie) für eine rotierende Supernova. Der Ausschnitt zeigt in Vergrößerung das Rückprallsignal, von dem man bisher immer angenommen hatte, dass es das Gravitationswellensignal einer Supernova dominieren würde.


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Letzte Änderung: 1.4.2004