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  Aktuelle Forschung :: Januar 2004 Zur Übersicht

Protonen mit Pferdestärken:
Den höchstenergetischen Teilchen des Universums auf der Spur

Würde ein Beobachter jahrzehntelang in den Nachthimmel schauen, könnte er fast mit bloßem Auge sehen, was ansonsten nur Elektronenmikroskope enthüllen: die Wirkung eines einzelnen Protons. Er würde einen charakteristischen Lichtblitz wahrnehmen, ausgelöst durch ein Ultrahochenergetisches Teilchen, das auf die Erdatmosphäre trifft. Der Beobachter bräuchte allerdings Geduld, denn die Teilchen sind extrem selten. Umso vielfältiger sind die Theorien über ihren Ursprung. Simulationen am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching haben verschiedene dieser Szenarien auf ihre Wahrscheinlichkeit hin geprüft. Das Ergebnis: Die Spur der exotischen Teilchen lässt sich ohne exotische Erklärungen verfolgen. Die Partikel stammen wahrscheinlich aus Quellen, die ähnlich verteilt sind wie die Materie in unserer kosmischen Umgebung. So könnten benachbarte Galaxien ihr Ursprung sein.



Abb. 1: Verteilung der Materie und der Galaxien in der Simulation (rot bedeutet hohe Dichte). Die angenommene Position unserer Milchstrasse ist mit einem Sternchen markiert. Entfernungen in Mpc = rund 3 Millionen Lichtjahre.



Abb. 2: Wie Abb. 1 aber hier die simulierte Magnetfeldstärke in der Nachbarschaft der Milchstrasse (rot bedeutet starke Magnetfelder).



Abb. 3: Die Ankunftsrichtungen von Ultrahochenergetischen Teilchen der Simulation (helle Punkte) in Himmelsprojektion. Der naheglegene Virgo-Galaxienhaufen (roter Kreis) tritt hier als Häufung von Ereignissen deutlich sichtbar zu Tage da eine mehr als hundertfach überhöhte Zahl von Ankunftsereignissen dargestellt ist.

Ultrahochenergetische Teilchen sind die energiereichsten Partikel des Universums. Jedes von ihnen besitzt eine Energie von nahezu 10 hoch 21 Elektronenvolt. Das entspricht fast der Energie des Tritts eines Pferdes. Protonen mit solch enormen Energien lassen sich nicht einmal in in der Milchstrasse einschliessen, was darauf schließen lässt, dass die Protonen extragalaktischen Ursprungs sind.

Prallt ein Ultrahochenergetisches Teilchen auf die Erdatmosphäre, stößt es mit deren Atomen zusammen und lässt sie bersten. Die weiterrasenden Bruchstücke verursachen einen fluoreszierenden Lichtblitz in der Atmosphäre. Weniger als hundert mal konnten Teleskope das Geschehen in den vergangenen Dekaden aufzeichnen und dabei Energie und Ankunftsrichtung registrieren. Dennoch geben die Lichtblitze keinen direkten Aufschluss über den Weg des Teilchens zur Erde. Nicht einmal seine ursprüngliche Richtung ist sicher, denn es könnte durch ausgedehnte Magnetfelder zwischen seiner Quelle und der Erde abgelenkt worden sein. Stärke, Richtung und Längenskala der Magnetfelder außerhalb der Milchstraße aber liegen im Dunkeln. Unklar ist damit, woher die Teilchen stammen: aus Radiogalaxien, von gigantischen Schwarzen Löchern, aus zerfallender Dunkler Materie, von den mysteriösen Gammastrahlungsblitzen oder aus gänzlich unbekannten Prozessen?

Günter Sigl, Francesco Miniati und Torsten Enßlin haben mögliche extragalaktische Reisen dieser Protonen simuliert und verschiedene Szenarien statistisch mit Beobachtungsdaten verglichen. Sie fragten: Stammen die Teilchen aus wenigen starken oder aus vielen schwachen Quellen? Entspricht die Anordnung der Quellen der Materieverteilung in der Umgebung der Milchstraße oder sind die Quellen gleichmäßig positioniert? Sind starke oder schwache Magnetfelder und damit starke oder schwache Ablenkungen der Partikel auf ihrem Weg zu uns zu erwarten?

Nach dem Simulations-Szenario, das am besten mit Beobachtungsdaten übereinstimmt, stammen die Protonen weder aus wenigen starken, noch aus vielen schwachen Quellen, sondern aus mehren, mittelgroßen Quellen. Diese sind im Mittel rund 100 Millionen Lichtjahre voneinander entfernt, aber ungleichmäßig verteilt. Somit könnten sie annähernd so positioniert sein wie die Galaxien in der Umgebung der Milchstraße. Die Magnetfelder sind dem passendsten Szenario nach zwar in der Nähe der Quellen stark, in dem weiten Zwischenraum bis zur Milchstrasse dagegen schwach aber nicht vernachlässigbar. Daher sollten die meisten Teilchen auf ihrem Weg zur Erde mehrere zehn Grad abgelenkt worden sein. Ein signifikanter Teil der Partikel sollte allerdings dennoch eine weitgehend direkte Route genommen haben. Die Richtungen, aus der ihre atmosphärischen Lichtblitze zu sehen sind, dürfte daher in diesen Fällen grob die ursprüngliche Richtung der Teilchens sein und uns zu deren Quellen führen. Sobald also eine ausreichende Anzahl von Ankunftsereignissen registriert wurde, sollte eine Häufung von Lichblitzen aus der Richtung der wichtigsten Quellen sichtbar sein.

Aus diesem Szenario ergibt sich, dass viele Ultrahochenergetische Teilchen ihren Ursprung in den Galaxien des benachbarten Virgo-Galaxienhaufens haben könnten. Allerdings dürfte es wegen der starken Magnetfelder innerhalb von Virgo schwer sein, den genauen Entstehungsort im Haufen zu identifizieren.

Die Ergebnisse der Simulationen stützen damit eher konservative Theorien über den Ursprung der Teilchen, die einen Zusammenhang von Galaxienverteilung und Entstehungsorten nahe legen, und passen recht gut zu unseren Vorstellungen über extragalaktische Magnetfelder. Künftige Beobachtungen mit im Aufbau befindlichen Teleskopsystemen (z.B. dem linkPfeilExtern.gifPierre Auger oder dem linkPfeilExtern.gifEUSO Projekt) werden Tausende Lichtblitze von Ultrahochenergetischen Partikeln vermessen und uns erlauben, den Spuren dieser Teilchen zu ihren Quellen genauer zu folgen.

Torsten Enßlin, Francesco Miniati, Günter Sigl


Literatur:

linkPfeilExtern.gif"Ultra-High Energy Cosmic Rays in a Structured and Magnetized Universe",
Günter Sigl, Francesco Miniati, Torsten A. Enßlin,
Physical Review D 68, 043002

linkPfeilExtern.gif"Signatures of Magnetized Large Scale Structure in Ultra-High Energy Cosmic Rays",
Günter Sigl, Francesco Miniati, Torsten A. Enßlin,
submitted, astro-ph/0309695

linkPfeilExtern.gif"Ultra-High Energy Cosmic Ray Probes of Large Scale Structure and Magnetic Fields",
Günter Sigl, Francesco Miniati, Torsten A. Enßlin,
submitted, astro-ph/0401084


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Letzte Änderung: 8.1.2004