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Fig. 1:
Ludwig Eduard Boltzmann (1844 - 1906), österreichischer Physiker und Philosoph
© The Dibner Library Portrait Collection - Smithsonian Institution
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Fig. 2:
Der amerikanische Physiker Josiah Willard Gibbs (1839 – 1903)
© Zeitschrift für Physikalische Chemie, Band 18, von 1895
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Die physikalische Temperatur quantifiziert unsere Wahrnehmung von
"heiß" und "kalt". Temperatur ist auch maßgeblich für die Effizienz
von Maschinen, die Wärme in nutzbare Arbeit umwandeln. Seit
Jahrzehnten haben Physik-Studenten gelernt, dass Temperatur immer
positiv ist, wenn man sie auf der Kelvin-Skala misst. Eine wichtige
Folgerung dieser Annahme ist, dass die Effizienz einer
Wärmekraftmaschine immer kleiner als Eins ist: Nur ein Bruchteil der
Energie, die dem System als Wärme - z.B. durch die Verbrennung von
Kraftstoff - zugeführt wird, kann in nutzbare Arbeit umgewandelt
werden - z.B. um ein Auto anzutreiben.
Allerderdings gab es in den letzten 60 Jahren sowohl theoretische als
auch experimentelle Arbeiten mit der Behauptung, für bestimmte Systeme
eine negative absolute Temperatur zu messen. Obwohl dies sehr
spezielle Systeme sind - Kernspinsysteme oder ultrakalte Atomgase - so
würde die bloße Existenz negativer absoluter Temperaturen
tiefgreifende konzeptionelle und praktische Konsequenzen
haben. Derartige Systeme könnten nicht nur die Konstruktion von
hyper-effizienten Wärmemotoren ermöglichen. Sie könnten auch als
Labormodell für die geheimnisvolle Dunkle Energie dienen, die von
Astrophysikern postuliert wurde, um die beschleunigte Expansion des
Universums zu erklären. "Wir haben im Grunde keine Ahnung, was die
Dunkle Energie eigentlich ist", sagt Stefan Hilbert von MPA. "Deshalb
wollten wir herausfinden, ob diese Ergebnisse in der Tat Aufschluss
über die Dunkle Energie geben könnten." Dazu mussten die
Wissenschaftler aber zu den Grundlagen der Thermodynamik zurückgehen.
Die meisten Lehrbücher benutzen den von Ludwig Boltzmann eingeführten
Formalismus, um die thermodynamische Temperatur eines Systems aus
dessen innerer Struktur zu berechnen. Für die meisten Systeme
funktioniert dieser Formalismus gut. Doch "als wir die
Boltzmann-Definitionen im Detail untersuchten, fanden wir gravierende
Unstimmigkeiten, die für viele Systeme zu unsinnigen Ergebnissen
führen", sagt Stefan Hilbert. Dunkel und Hilbert stellten fest, dass
sich diese Widersprüche mit einem etwas anderen Formalismus, der schon
vor mehr als 100 Jahren von J. Willard Gibbs abgeleitet wurde,
vermeiden lassen. Dieser Formalismus ist aber heute fast vollständig
in Vergessenheit geraten.
Ein Merkmal des Gibbs-Formalismus besteht darin, dass die Temperatur
nie negativ wird. Wie Dunkel und Hilbert zeigten, ist die Größe, die
bei den kürzlich durchgeführten Experimenten als negative Temperatur
in ultrakalten Atomgasen gemessen wurde, nicht die tatsächliche
thermodynamische Temperatur, sondern eine komplizierte Funktion der
Temperatur und einer anderen Größe, die als Wärmekapazität bekannt
ist. Die tatsächliche thermodynamische Temperatur blieb bei diesen
Experimenten positiv. Somit erscheint es weniger plausibel, dass sich
diese Systeme wie die Dunkle Energie verhalten.
"In den meisten Fällen ist der Unterschied zwischen der
Boltzmann-Temperatur und der Gibbs-Temperatur vernachlässigbar",
erklärt Stefan Hilbert. "Aber unter extremen physikalischen
Bedingungen, wie es für diese Systeme mit angeblich negativen
Temperaturen der Fall ist, bietet nur Gibbs die richtige
Beschreibung." Um dies direkt zu testen, schlagen Dunkel und Hilbert
ein einfaches Experiment vor: Wenn ein einzelnes Atom in einer Falle
gefangen ist und sich darin nur in einer Richtung bewegen kann, dann
sollte der Druck an beiden Enden negativ sein, wenn die
Boltzmann-Beschreibung richtig ist. Stimmt jedoch die
Gibbs-Beschreibung, sollte der Druck positiv sein.
Originalveröffentlichung:
Jörn Dunkel & Stefan Hilbert,
"Consistent thermostatistics forbids negative absolute temperatures",
Nature Physics (2013)
doi:10.1038/nphys2815
Published online, 8 December 2013
Kontakt:
Dr. Stefan Hilbert
Max-Planck-Institut für Astrophysik
Tel: +49 (89) 30 000 2249
E-mail: shilbertmpa-garching.mpg.de
Dr. Hannelore Hämmerle
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Astrophysik
Tel: +49 (89) 30 000 3980
E-mail: prmpa-garching.mpg.de
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