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  Planck vermisst das Universum

Planck vermisst das Universum - detaillierte Himmelskarte der kosmischen Hintergrundstrahlung bestätigt Standardmodell und findet gleichzeitig Abweichungen

Am 21. März 2013 stellte die Planck-Kollaboration ihre erste vollständige Himmelskarte der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung vor, die das Standardmodell der Kosmologie eindrucksvoll bestätigt und dessen Parameter nun sehr genau festlegt. Gleichzeitig finden die Wissenschaftler aber auch signifikante Anomalien und Inhomogenitäten, die möglicherweise darauf hindeuten, dass einige Aspekte des „Standardmodells“ noch nicht verstanden sind. Eine Reihe wissenschaftlicher Artikel, die die neuen Ergebnisse beschreiben, wird am 22. März veröffentlicht.

CMB: Die Anisotropien der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung (CMB), wie sie mit Planck beobachtet wurden. Der CMB ist eine Momentaufnahme vom ältesten Licht im Universum, das ausgesandt wurde, als das Universum erst 380 000 Jahre alt war. Es zeigt winzige Temperaturschwankungen in Regionen mit leicht unterschiedlicher Dichte, aus denen alle zukünftigen Strukturen hervorgegangen sind: die Sterne und Galaxien von heute.
Credit: ESA und der Planck Collaboration

Planck Power spectrum: Diese Grafik zeigt die Temperaturschwankungen in der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung die von Planck bei verschiedenen Winkelskalen am Himmel gemessen wurden. Diese Kurve wird als Leistungsspektrum bezeichnet. Die größten Winkelskalen, beginnend mit einem Winkel von 90 Grad, sind auf der linken Seite des Diagramms gezeigt, kleinere Skalen nach rechts. (Als Vergleich: der Durchmesser des Vollmonds am Himmel misst etwa ein halbes Grad.) Die roten Punkte zeigen die Planck-Messungen; die Fehlerbalken beinhalten sowohl Messfehler als auch eine Abschätzung der Unsicherheit aufgrund der begrenzten Anzahl von Messpunkten am Himmel. Diese sogenannte kosmische Varianz ist ein unvermeidbarer Effekt, der bei größeren Winkelskalen immer größer wird. Die grüne Kurve ist die beste Anpassung des "Standardmodells der Kosmologie" – das derzeit die am weitesten akzeptierte Szenario für den Ursprung und die Evolution des Universums – an die Planck-Daten. Der hellgrüne Bereich um die Kurve zeigt Vorhersagen von allen Varianten des Standard-Modells, die mit den Daten am besten übereinstimmen.
Credit: ESA und der Planck Collaboration

Foreground emission layers (Film): Diese Animation zeigt die harte Arbeit der Kosmologen in der Planck Collaboration, um den kosmischen Mikrowellenhintergrund aus den Daten von Planck zu extrahieren. Das erste Bild in der Sequenz zeigt die alle Quellen am Himmel, die bei Mikrowellen- und Sub-Millimeter-Wellenlängen emittieren, die von Planck im Bereich von 11,1 mm bis 0,3 mm (entsprechend Frequenzen zwischen 27 GHz und 1 THz) beobachtet werden können. Die Kosmologen mussten die gesamte Kontaminierung durch Vordergrundquellen entfernen, bevor sie Daten des kosmischen Mikrowellenhintergrundes analysieren und mit kosmologischen Modellen vergleichen konnten.
Credit: ESA and the Planck Collaboration

Die nun veröffentlichte Himmelskarte beruht auf den ersten 15,5 Monaten der Planck-Mission, einem Weltraumteleskop der europäischen Weltraumagentur ESA, und zeigt das älteste Licht im Universum. Dieses wurde ausgesandt, als das Universum erst 380 000 Jahre alt war und nach dem Urknall zum ersten Mal durchsichtig wurde. Die heiße „Ursuppe“ aus Protonen, Elektronen und Photonen kühlte langsam ab, so dass sich neutrale Wasserstoffatome bildeten und das Licht entkommen konnte. Als sich das Universum weiter ausdehnte und abkühlte, wurde diese Strahlung zu längeren Wellenlängen verschoben, so dass wir sie heute als kosmischen Mikrowellenhintergrund (CMB von engl. Cosmic Microwave Background) bei einer Temperatur von ca. 2,7 Kelvin empfangen.

Winzige Temperaturschwankungen in dieser CMB-Karte spiegeln kleinste Dichtefluktuationen im frühen Universum wider. „Die Planck-Karte des CMB liefert uns ein extrem detailliertes Bild des ganz frühen Universums“, erklärt Simon White, Co-Investigator in der Planck-Kollaboration und Direktor am Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA), der durch Untersuchungen der Strukturentwicklung im Universum maßgeblich daran beteiligt war, das Standardmodell der Kosmologie in den 1980er Jahren zu etablieren. „Alle Strukturen, die wir heute sehen, entstanden aus winzigen Dichtefluktuationen kurz nach dem Urknall.“

Planck wurde gebaut, um diese Fluktuationen über den gesamten Himmel mit größerer Auflösung und Empfindlichkeit als je zuvor zu vermessen, so dass die Wissenschaftler die Zusammensetzung und Entwicklung des Universums vom Beginn bis heute bestimmen können.

„Die Daten des Planck-Satelliten passen extrem gut zum Standardmodell der Kosmologie“, bestätigt Torsten Enßlin vom MPA, der die am MPA angesiedelte deutsche Beteiligung an der Planck-Mission leitet. „Die kosmologischen Parameter konnten mit Planck jetzt so genau bestimmt werden wie nie zuvor und unsere Analyse bestand alle Tests gegenüber diversen anderen astronomischen Beobachtungen mit fliegenden Fahnen.“

So zeigen die Planckdaten, dass die normale Materie, aus der Galaxien, Sterne und auch unsere Erde bestehen, nur mit ca. 4,9% zur Massen- und Energiedichte des Universums beiträgt. Dazu kommen etwa 26,8% Dunkle Materie, die sich nur über ihre Schwerkraftwirkung bemerkbar macht – deutlich mehr, als bisher für die Dunkle Materie angenommen wurde. Andererseits ist der Anteil der Dunklen Energie, der rätselhaften Komponente, die dafür sorgt, dass das Universum sich beschleunigt ausdehnt, mit 68,3% geringer als gedacht. Auch die Geschwindigkeit, mit der sich unser Universum heute ausdehnt, die sogenannte Hubble-Konstante, wurde mit Planck neu bestimmt: mit 67,15 km/s/Mpc ist ihr Wert signifikant kleiner als der derzeitige Standardwert. Daraus ergibt sich dann auch ein etwas größeres Alter für das Universum von 13,82 Milliarden Jahren.

Allerdings zeigen sich aufgrund der extrem hohen Qualität der Planck-Daten auch einige Ungereimtheiten, die sich nur schwer mit dem Standardmodell in Einklang bringen lassen. So sind die CMB-Fluktuationen auf großen Skalen geringer, als man das von den bei kleineren Skalen gemessenen Strukturen erwarten würde. Außerdem scheint eine Himmelsphäre ein wenig stärkere Strukturen aufzuweisen als die andere. Dazu passt vielleicht ein weiteres auffälliges Element: ein „kalter Fleck“, der sich über eine viel größere Region erstreckt, als man erwarten dürfte. Diese Daten könnten somit eine Erweiterung des Standardmodells oder neue Theorien nötig machen.

„Auch wenn wir diese Anomalien heute noch nicht verstehen, so können wir doch ausschließen, dass es sich um einen Vordergrundeffekt handelt“, sagt Torsten Enßlin. „Insbesondere der ‚cold spot‘ ist schon länger bekannt; hierbei könnte es sich auch um eine statistische Fluktuation handeln.“

Die Wissenschaftler am MPA sind bereits seit Beginn der Mission an der Software-Entwicklung für die Datenreduktion beteiligt, um die Vordergrundstrahlung von Objekten wie Galaxienhaufen, Quasaren und auch unserer eigenen Milchstraße zu entfernen. Inzwischen konzentriert sich die Arbeit aber darauf, die Informationen aus der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung zu analysieren und dadurch unser Universum besser zu verstehen.

Ein Aspekt, der dabei unter anderem untersucht wurde, ist die Entdeckung und Vermessung von Galaxienhaufen durch den Sunyaev-Zel'dovich-Effekt. Der SZ-Effekt ist eine charakteristische Signatur von Galaxienhaufen im kosmischen Mikrowellenhintergrund, die entsteht, wenn das Licht des CMB auf seinem Weg zu uns einen Galaxienhaufen passiert. Durch die verschiedenen Frequenzbänder von Planck kann der SZ-Effekt sehr gut gemessen werden.

Rashid Sunyaev, heute Direktor am Max-Planck-Institut für Astrophysik und Co-Investigator in der Planck-Kollaboration, sagte gemeinsam mit Yakov Zel'dovich nicht nur den Effekt der Galaxienhaufen auf den CMB vorher, sondern auch die akustischen Fluktuationen im CMB selbst, die jetzt so detailliert mit Planck vermessen wurden. Die Planck-Ergebnisse sind für ihn sehr aufregend: „Als wir vor über 40 Jahren unsere Modelle für den CMB entwickelt haben, war das für uns eher ein rein theoretisches Gedankenexperiment. Wir hätten uns nie träumen lassen, dass die Messungen tatsächlich irgendwann so genau werden, dass sie nun sogar zur Entdeckung von hunderten von neuen Galaxienhaufen eingesetzt werden können, die wir bisher noch nicht kannten. Ein großartiger Erfolg für Planck!“

Die Planck-Wissenschaftler konnten diese Galaxienhaufen sogar dazu verwenden die wichtigsten Parameter des Universums zu bestimmen – ein Methode die so zum ersten Mal auf Daten des CMB angewendet werden konnte. Diese Methode ist vollkommen unabhängig zur Bestimmung der kosmologischen Parameter anhand der Form und Höhe der akustischen Fluktuationen.


Weitere Informationen:

Die neuen Daten von Planck beruhen auf den ersten 15,5 Monaten seiner Himmelsdurchmusterungen, was etwa der Hälfte der insgesamt gesammelten Daten entspricht. Planck wurde im Mai 2009 gestartet, um den Himmel mit zwei eigens dafür entwickelten Instrumenten bei neun Frequenzen zu durchmustern: das Low Frequency Instrument (LFI) umfasst die Frequenzbänder 30-70 GHz und das High Frequency Instrument (HFI ) die Frequenzbänder 100-857 GHz. HFI stellte im Januar 2012 seinen Betrieb ein, während LFI weiterhin beobachtet.

Plancks erste vollständige Himmelsdurchmusterung, die auch Emissionen unserer eigenen Milchstraße zeigt, wurde im Juli 2010 vorgestellt und im Januar 2011 wurde der erste wissenschaftliche Datensatz veröffentlicht: ein Katalog von 15.000 Himmelsobjekten wie Galaxienhaufen, Quasaren, Radiogalaxien, Nachbargalaxien und galaktischen Staubwolken. Seitdem haben die Wissenschaftler daran gearbeitet, die Vordergrundemissionen, die zwischen uns und dem ersten Licht im Universum liegen, zu entfernen und die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung frei zu legen. Der nächste kosmologische Datensatz wird im Frühjahr 2014 veröffentlicht werden.

Die wissenschaftliche Planck-Kollaboration besteht aus allen Wissenschaftlern, die zur der Entwicklung der Planck-Mission beigetragen haben und die in der ersten Zeit auf die geschützten Daten Zugriff hatten und an der wissenschaftlichen Nutzung der Planck-Daten beteiligt waren. Diese Wissenschaftler sind Mitglieder eines oder mehrerer der vier Konsortien: Das LFI-Consortium, das HFI-Consortium, das DK-Planck-Konsortium und das ESA-Planck Science Office. Die beiden europäisch geführten Zentren zur Verarbeitung der Planck-Daten befinden sich in Paris, Frankreich, und Trieste, Italien.

Die deutsche Beteiligung am Planck-Surveyor ist am Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA) angesiedelt, da Rashid Sunyaev und Simon White vom Anfang an im Project als co-Investigatoren beteiligt sind. Sie wird durch das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) und die Max-Planck Gesellschaft (MPG) finanziert. MPA und MPG finanzieren die wissenschaftliche Beteiligung an der Mission, das DLR den überwiegenden Teil der technischen Beteiligung, insbesondere das MPA Planck Analysis Center (MPAC).

Das MPAC hat die Aufgabe, Datenanalyseinfrastruktur für die Datenverarbeitungszentren und für die individuellen Planck-Wissenschaftler zur Verfügung zu stellen. Innerhalb des IDIS-Datensystems von Planck (Integrated Data and Information System) ist das MPAC dabei sowohl für die Bereitstellung einer Workflowengine als auch einer Datenmanagementkomponente verantwortlich und hat darüber hinaus die Aufgabe, die Entwicklung, die Integration und den Betrieb der Datensimulations-Pipeline sicher zu stellen.


Link:

Eine Erklärung des kosmischen Mikrowellenhintergrundes finden Sie in einem Comic, der 2009 entstanden ist: linkPfeil.gifRiding early waves

Kontakt:

Dr. Torsten Enßlin
Max-Planck-Institut für Astrophysik
Tel. 089 30000-2243
E-mail: tensslinmpa-garching.mpg.de

Dr. Hannelore Hämmerle
Pressesprecherin
Max-Planck-Institut für Astrophysik
und Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
Tel. 089 30000-3980
E-mail: prmpa-garching.mpg.de


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© 2003, Max-Planck-Gesellschaft, München
Letzte Änderung: 25.3.2013