Magnetfelder in der Astrophysik: ein 'elektronisches Lehrbüchlein'

Magnetfelder spielen bei vielen Objekten im Universum eine wichtige Rolle, von der Sonne mit ihren Flecken und der magnetisch aufgeheizten Korona, die während einer Sonnenfinsternis sichtbar wird, bis hin zu Pulsaren und den spektakulären 'Jets' von Schwarzen Löchern und Protosternen. Das Verhalten des magnetischen Feldes ist in diesen Objekten sehr verschieden von dem, was wir von zu Hause oder aus dem Physikunterricht kennen, da die magnetischen Feldlinien in astrophysikalischen Objekten an ein ionisiertes Gas quasi 'gebunden' sind. Die Theorie um derartige Magnetfelder zu beschreiben, die Magnetohydrodynamik (MHD), wird nun in einem übersichtlichen Lehrbuch erläutert, das linkPfeilExtern.gifonline veröffentlicht ist. Darin wird vorallem das anschauliche Verständnis der MHD betont, durch eine Visualisierung der Ströme und Kräfte, wie sie in einer magnetisierten Flüssigkeit stattfinden. Zu diesem Zweck enthält der Text auch einige kleine Videoclips von grundlegenden MHD-Strömen.

Abb. 1: Feldlinien am Ende eines magnetischen Jet.
(Rainer Moll, MPA)

Abb. 2: Ein Flüssigkeitsstrom dehnt ein Feldlinienbündel (mp4-Film).
(Merel van 't Hoff, MPA)

Bei den physikalischen Prozessen, bei denen magnetische Felder vorhanden sind, findet man in der Regel auch elektrische Felder, Ströme und Ladungsdichten. Mathematisch gesehen muss man hier die kompletten Maxwell-Gleichungen einsetzen sowie die Bewegungsgleichungen für die Teilchen, aus denen das Plasma besteht - die Domäne der Plasmaphysik. Glücklicherweise ist diese Komplexität jedoch für die meisten Ströme in astronomischen Objekten selten notwendig. Aufgrund der elektrischen Leitfähigkeit eines ionisierten Gases ist MHD eine extrem genaue Näherung. Verglichen mit der gewöhnlichen Strömungslehre, muss damit nur das magnetische Feld explizit zur Beschreibung hinzugezogen werden. Die anderen elektromagnetischen Größen können am Ende ausgewertet werden, sie sind weder für eine korrekte Beschreibung notwendig, noch sind sie für physikalische Verständnis von großem Nutzen. Dank dieser Vereinfachung wurde es möglich, Magnetfelder realistisch in numerische Simulationen einzubeziehen, beispielsweise bei extragalaktischen Jets (Abb. 1).

Der Preis, den man dabei zahlen muss, besteht darin, dass wir einige unserer Vorstellungen über die Art und Weise, wie elektrische und magnetische Felder funktionieren, über Bord werfen müssen. Unsere Erfahrung basiert auf Prozessen, die in der elektrisch isolierenden Atmosphäre der Erde ablaufen (in Kupferdrähten, Batterien, Induktionsspulen etc.). Die meisten astrophysikalischen Prozesse dagegen spielen sich in einem ionisierten Gas ab, so zum Beispiel in einem Stern, im Sonnenwind oder im intergalaktischen Medium.

Aufgrund der starken Kopplung zwischen dem Magnetfeld und dem elektrisch leitenden Gas verhalten sich MHD-Ströme mehr oder weniger wie visko-elastische, ansonsten aber gewöhnliche Flüssigkeiten. Dies macht MHD zu einer besonders anschaulichen Theorie, wodurch auch der Ansatz des Lehrbüchleins motiviert ist. Das erste Kapitel (nur 36 Seiten) ist eine kurze Einführung mit Übungen. Die Übungen sind als Erklärung der Konzepte im Text wichtig (insbesondere für die weniger intuitiven Punkte). Fast alle sind mathematisch nicht sehr anspruchsvoll, auch wenn einige ein gewisses Vorwissen aus dem Physik-Grundstudium erfordern. Dies ist der 'wesentliche' Teil. Die Ergänzungen in Kapitel 2 enthalten weitere Erklärungen, Ausführungen zu spezialisierten Themen und gelegentliche Verbindungen zu Themen etwas außerhalb der MHD.

Reference

H. C. Spruit, "Essential Magnetohydrodynamics for Astrophysics",
linkPfeilExtern.gifarXiv:1301.5572

linkPfeil.giflatest version