Ungewöhnliche Erklärung für sonderbaren Sternentod

Der so-genannte “Weihnachtsburst”, eine sehr energiereiche Sternexplosion letztes Jahr, könnte durch ganz außergewöhnliche Umstände entstanden sein: ein internationales Wissenschaftlerteam schlägt ein neues Modell für diesen Gammastrahlenausbruch (GRB) vor. Demnach könnte diese Explosion das Ergebnis der Verschmelzung eines Neutronensterns mit einem Riesenstern in einem späten Entwicklungsstadium sein, bei dem nicht nur ein GRB-artiger Jet entsteht, sondern sich auch eine schwache Supernova-Komponente entwickelt.

Fig. 1: Künstlerische Darstellung der Prozesse, die für den Weihnachtsburst verantwortlich sind.
(Dank an Aurore Simonnet, NASA, E/PO, Sonoma State University)

Fig. 2: Mehrfarbenbild der Region um GRB 101225A, aufgenommen 40 Tage nach der Explosion, wobei das nachglühende Objekt markiert ist linkPfeilExtern.gif(Film).
(aus Thöne et al, Nature, 480, 72-74)

Gammastrahlenblitze (Englisch: Gamma-Ray Bursts, GRBs) sind kurze, hochenergetische Ereignisse im Gammastrahlenbereich, die an jeder Stelle am Himmel auftreten können und von fatalen Sternkatastrophen stammen. Die Dauer dieser Blitze reicht im Gammastrahlenbereich von wenigen Millisekunden bis zu über einer halben Stunde und sie sind so hell, dass sie bis zum Rand des uns bekannten Universums beobachtet werden können. Da die Erdatmosphäre nicht für Gammastrahlen durchlässig ist, können GRBs nur mit Gammadetektoren an Bord von Satelliten, z.B. des Swift-Satelliten der NASA, detektiert werden.

Beobachtungen von erdbasierten Teleskopen haben gezeigt dass die Blitze im Gammabereich von Emissionen bei optischen, infraroten bis hinunter zu Radiowellenlängen begleitet werden. Dieses “Nachglühen” (Englisch: “Afterglow”) wird von Synchrotronstrahlung hervorgerufen, welche entsteht, wenn sich ultrarelativistische (Geschwindigkeiten von mehr als 99% der Lichtgeschwindigkeit), elektrisch geladene Teilchen in starken Magnetfeldern bewegen und dabei Photonen aussenden.

Am 1. Weihnachtsfeiertag 2010 registrierte Swift einen sehr speziellen Gammablitz, GRB 101225A, den die Wissenschaftler wegen des Datums seiner Entdeckung auch “Weihnachtsburst” getauft haben. Dieser GRB dauerte über eine halbe Stunde, länger als fast alle bisher detektierten GRBs. Die Emission in Wellenlängen unterhalb des Gammabereichs war nicht - wie bei allen bisherigen GRBs - von Synchrotronstrahlung dominiert, sondern zeigte ein klassisches Schwarzkörperspektrum, also Wärmestrahlung.

Eine internationales Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Christina Thöne vom Astrophysikalischen Institut Andalusiens (IAA — CSIC in Granada, Spanien) hat soeben einen Artikel in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht, in dem sie die Physik dieses ungewöhnlichen Ereignisses studieren. Die Kollaboration umfasste auch Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Astrophysik, die zur theoretischen Interpretation der Daten und der Entwicklung eines plausiblen Modells beitrugen. Gestützt auf eine große Anzahl von Beobachtungen schlägt das Team ein neues Szenario vor, um diesen exotischen Sternentod zu erklären. Die zwei populärsten Modelle für GRBs waren bisher der Kollaps eines massereichen Sterns (für GRBs mit mehr als 2s Dauer im Gammastrahlenbereich) und die Verschmelzung von zwei kompakten Objekten (für Objekte mit weniger als 2 Sekunden Dauer). Der Weihnachtsburst mit seinen seltsamen Eigenschaften benötigt jedoch ein neues, drittes Modell.

In diesem Modell gehen die Wissenschaftler davon aus, GRB 101225A sei das Ergebnis der Verschmelzung eines Neutronensterns mit einem Riesenstern im späten Entwicklungsstadium, der in seinem Kern bereits zum Heliumbrennen übergegangen ist. Während sich der Neutronenstern dem Riesenstern nähert und schließlich in dessen Atmosphäre eintritt, wird ein Großteil der Wasserstoff- und Heliumhülle des Riesensterns abgestoßen. Bei der endgültigen Verschmelzung des Neutronensterns mit dem Kern des Riesensterns entsteht eine Akkretionsscheibe und ein GRB-artiger ultrarelativistischer Jet, der jedoch durch die Wechselwirkung mit der zuvor ausgestoßenen Sternhülle thermalisiert wird. Diese Wechselwirkung führt zu dem beobachteten Schwarzkörperspektrum aus heißem Gas, das von 1 Million Kelvin direkt nach dem GRB bis auf 5000K drei Wochen später abkühlte.

Etwa 10 Tage nach der Explosion entwickelt sich außerdem eine schwache Supernova-Komponente, die 40 Tage nach dem GRB ihr Maximum erreicht und die nachlassende Schwarzkörperstrahlung dominiert. Dabei dürfte es sich um eine Typ Ic-Supernova in einer Entfernung von ca. 5.5 Milliarden Lichtjahren (Rotverschiebung z~0.3) handeln.

Die hohen Geschwindigkeiten und die Dichte des Materials erschweren die Beobachtung eines solchen Objekts in extremen Entfernungen, wie es bei GRBs normalerweise möglich ist. Dies könnte erklären, warum ein solches Objekt erst jetzt entdeckt wurde.

Originalveröffentlichung:

Thöne et al., "The unusual gamma-ray burst GRB 101225A from a helium star/neutron star merger at redshift 0.33", linkPfeilExtern.gifNature, 480, (issue 7375), 72-74 (2011)


Kontakt:

Dr. Hannelore Hämmerle
Pressesprecherin
Max-Planck-Institut für Astrophysik
Tel.: +49 89 30000-3980
Email: prmpa-garching.mpg.de

Dr. Christina C. Thöne
Wissenschaftlerin
IAA - CSIC
Tel.: +34 958 230 612
Email: cthoeneiaa.es