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Viele schwere chemische Elemente entstehen durch das nukleare Brennen
in Sternen. So fusioniert auch im Inneren unserer Sonne ständig
Wasserstoff zu Helium und setzt dabei Energie frei. Massereichere
Sterne als die Sonne schmieden danach aus Helium schwerere
Elemente. Dieser Prozess funktioniert aber nur bis hin zum Eisen. Weil
weiterer Energiegewinn in Fusionsreaktionen nicht möglich ist,
können noch schwerere Atomkerne so nicht erzeugt werden. Sie bilden
sich durch Einfang von ungeladenen Neutronen auf mittelschwere
“Saatkerne”.
Zwei Prozesse spielen hierbei eine besondere Rolle: der langsame und
der schnelle Neutroneneinfang. Der langsame Neutroneneinfang oder
s-Prozess (vom englischen “slow” für langsam) läuft bei
niedrigen Neutronendichten im Inneren von Sternen in deren späten
Entwicklungsstadien ab. Der schnelle r-Prozess (vom englischen
“rapid” für schnell) benötigt sehr hohe
Neutronendichten. Die Physiker wissen, dass dieser r-Prozess für
die Entstehung eines großen Teils der schwersten Elemente (mit
Kernmassenzahlen A>80) verantwortlich ist, darunter Platin, Gold,
Thorium und Uran (Abb. 1). Allerdings standen die Wissenschaftler vor der
Frage, in welchen astrophysikalischen Objekten dieser Prozess ablaufen
kann.
“Die Herkunft von etwa der Hälfte der schweren Elemente im
Universum war bisher ein ungelöstes Rätsel”, sagt Hans-Thomas
Janka, leitender Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für
Astrophysik (MPA) und Mitarbeiter im Exzellenzcluster
Universe. “Lange dachte man, dass sie in Supernova-Explosionen
produziert werden könnten, neuere Modelle gehen aber von dieser
Theorie weg.”
Ein anderes mögliches Szenario bieten Neutronensterne (siehe Anm. 1), die in
einem Doppelsystem am Ende einer Jahrmillionen dauernden Entwicklung
in einer gigantischen Kollision miteinander
verschmelzen. Wissenschaftler am MPA haben nun zum ersten Mal zusammen
mit einem Kollegen von der Freien Universität Brüssel (ULB) die
Vorgänge, die bei einer derartigen Verschmelzung ablaufen, in allen
Schritten im Detail mit Computermodellen berechnet (Abb.2). Sie kombinierten
dabei relativistische, hydrodynamische Simulationen des kosmischen
Zusammenstosses mit Berechnungen der Kernreaktionen von über 5000
Atomkernarten (chemische Elemente und deren Isotope (siehe Anm. 2) in der bei
der Sternkollision gewaltsam ausgeschleuderten Materie.
“Durch Gezeiten- und Druckkräfte werden innerhalb von
tausendstel Sekunden nach der Verschmelzung der Neutronensterne einige
Jupitermassen extrem heißer Materie ausgestoßen”, erklärt
Andreas Bauswein, der die Simulationen am MPA durchführte. Wenn
sich dieses sog. Plasma auf unter 10 Milliarden Grad abgekühlt hat,
laufen die verschiedensten Kernreaktionen ab, unter anderem auch
radioaktive Zerfälle, und ermöglichen die Bildung sehr schwerer
Elemente. “Die schweren Elemente werden dabei in verschiedenen
Reaktionsketten mehrfach prozessiert (`recycelt'), wobei Zerfälle,
die zur Spaltung superschwerer Nuklide führen, eine entscheidende
Rolle spielen. Dadurch hängt die endgültige
Häufigkeitsverteilung der entstandenen Elemente nur wenig von den
Ausgangsbedingungen des Modells ab”, fügt Stephane Goriely
hinzu, der ULB-Wissenschaftler und nukleare Astrophysiker des
Teams (siehe auch Abb. 3). Dies passt gut zu bereits länger gehegten Vermutungen, dass nur
die Reaktionseigenschaften der beteiligten Atomkerne ausschlaggebend
für die produzierte Elementverteilung sein sollten. Nur so lässt
sich verstehen, warum in allen untersuchten Sternen wie auch im
Sonnensystem nahezu identische relative Häufigkeiten der schweren
r-Prozess-Elemente beobachtet werden.
Die Simulationen zeigten, dass die Häufigkeitsverteilung der
schwersten Elemente (mit Massenzahlen A>140) sehr gut mit der in
unserem Sonnensystem beobachteten übereinstimmt. Kombiniert man das
Ergebnis der Modellrechnungen mit der geschätzten Zahl von
Neutronensternkollisionen, die in der Milchstraße stattgefunden
haben, so bestätigt sich, dass solche Ereignisse tatsächlich die
Hauptquellen der schwersten chemischen Elemente im Universum sein
können.
Um die theoretischen Vorhersagen weiter zu verfeinern, sind neue
Studien geplant, sowohl zusätzliche Computersimulationen, die die
physikalischen Prozesse noch genauer nachbilden, als auch
Beobachtungskampagnen, um die frisch erzeugten schweren Elemente zum
ersten Mal direkt am Ort ihres Entstehens nachzuweisen. Durch den
radioaktiven Zerfall der superschweren Atomkerne wird das
ausgeschleuderte Material nämlich stark geheizt und erstrahlt
dadurch fast so hell wie eine Supernova-Explosion eines Sterns,
wenngleich nur für wenige Tage. Astronomen suchen bereits
fieberhaft nach derartigen Ereignissen!
Anmerkungen:
- Neutronensterne sind extrem kompakte Sternleichen, die am Lebensende
massereicher Sterne entstehen, wenn der Kern der Sterne kollabiert,
während ihre Hülle in einer Supernova-Explosion abstoßen wird. Der
dabei gebildete Neutronenstern ist rund eineinhalb Mal so schwer wie
unsere Sonne, hat dennoch aber nur einen Durchmesser von 20-30
Kilometern. In einigen Fällen entstehen in einem Doppelsternsystem
bei aufeinander folgenden Supernovae zwei Neutronensterne, die
umeinander kreisen und dabei Energie verlieren bis sie sich so nahe
kommen, dass sie miteinander verschmelzen. Derartige Ereignisse sind
nicht sehr häufig. Astronomen schätzen, dass in unserer
Milchstraße etwa alle 100 000 Jahre zwei Neutronensterne
verschmelzen.
- Isotope sind Atome, deren Kern gleich viele Protonen aber
unterschiedlich viele Neutronen aufweist.
Originalveröffentlichung:
Stephane Goriely, Andreas Bauswein und Hans-Thomas Janka,
"r-process nucleosynthesis in dynamically ejected matter of neutron star mergers",
2011 ApJ 738 L32
http://iopscience.iop.org/2041-8205/738/2/L32
Kontakt:
Dr. Hans-Thomas Janka
Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching
Tel.: +49 89 30000-2228
email: hjankampa-garching.mpg.de
Dr. Andreas Bauswein
Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching
Tel.: +49 89 30000-2236
email: abausweinmpa-garching.mpg.de
Dr. Hannelore Hämmerle
Pressesprecherin
Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching
Tel. +49 89 30000-3980
E-mail: hhaemmerlempa-garching.mpg.de
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