Vor einem Vierteljahrhundert entdeckten Wissenschaftler eine diffuse
Röntgenstrahlung aus der Umgebung der Milchstraßenebene. Seither hat
sich eine ganze Generation von Astronomen den Kopf über deren Ursprung
zerbrochen. Gewöhnlich geht energiereiche Röntgenstrahlung von sehr
heißen Gasen in einem Temperaturbereich zwischen 10 und 100 Millionen
Grad Celsius aus. Und so ist auch diese "Galactic Ridge X-ray
Emission" (GRXE) typisch für ein stark aufgeheiztes, optisch dünnes
Plasma.
Ein Gas mit diesen thermischen Eigenschaften würde allerdings sofort
aus unserer Galaxis entweichen - die Milchstraße dadurch ständig eine
ungeheure Menge Energie verlieren und schließlich in sich
zusammenfallen: Denn die vorhandenen Energiequellen wie Sterne und
Supernovae reichen nicht aus, um einen solchen Verlust
wettzumachen. Als Erklärung für die GRXE scheidet auch der
Zusammenstoß kosmischer Teilchen mit dem interstellaren Medium aus.
Erst in jüngerer Zeit zeigten Beobachtungen mit den Satelliten RXTE
und Integral, dass die Röntgenemission der Milchstraße dasselbe
Verteilungsmuster aufweist wie die Sterne. Seither wird vermutet, dass
ein großer Teil der GRXE von Einzelsternen stammt. Diese Befunde
motivierten das internationale Team zu genaueren Messungen mit dem
Röntgenteleskop Chandra. Als Testfeld wählten die Forscher eine kleine
Himmelsregion in der Nähe des Milchstraßenzentrums.
Das Areal, etwa halb so groß wie der Vollmond, bot sich für die
Beobachtungen aus zweierlei Gründen an: Zum einen wegen einer hohen
GRXE-Intensität, wodurch sich "Störstrahlungen" extragalaktischer
Röntgenquellen minimieren ließen; zum anderen absorbiert das
interstellare Medium an dieser Stelle nur geringe Strahlungsmengen,
sodass man mit Chandra sogar schwache Einzelquellen erfassen konnte.
Tatsächlich identifizierte Chandra in einem nur 2,6 Bogenminuten
messenden Ausschnitt innerhalb des Suchfelds 473 Punktquellen von
Röntgenstrahlung. In einem weiteren Schritt belegte die Gruppe mit
Messungen des Satellitenobservatoriums Spitzer, dass sich die
Ergebnisse der untersuchten Region auf die gesamte Galaxis übertragen
lassen.
Bei den meisten der 473 Röntgenquellen handelt es sich aller
Wahrscheinlichkeit nach um Weiße Zwerge, die Materie aus ihrer
Umgebung ansaugen, sowie um Sterne mit einer hohen Aktivität in ihrer
äußersten Gasschicht, der Korona. Weiße Zwerge sind Überbleibsel
erloschener, massearmer Sonnen. Häufig umlaufen diese abkühlenden
Sternleichen einen Partner, und in einem solchen Doppelsternsystem
entzieht der Weiße Zwerg seinem größeren Begleiter solange Materie,
bis es zu einer Supernova vom Typ Ia kommt.
Die Auflösung der diffusen Röntgenstrahlung unserer Galaxis in
einzelne Quellen hat weitreichende Konsequenzen für unser Verständnis
einiger astrophysikalischer Phänomene. So etwa können Astronomen die
GRX-Emission als Eichwert für die räumliche Verteilung von
Sternpopulationen innerhalb der Milchstraße verwenden. Auch für die
Forschung an anderen Galaxien spielen die Resultate eine Rolle: Es
scheint nun klar zu sein, dass die ungerichtete Röntgenstrahlung
dieser Objekte von Weißen Zwergen und aktiven Sternen stammt.
(BW / HOR)
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