Nobelpreis ehrt Bestätigung des heißen Urknalls

Am 3. Oktober verkündete das Nobelpreis-Komitee, dass der Physik-Nobelpreis 2006 an John Mather und George Smoot verliehen wird, und zwar für deren bahnbrechende Experimente an Bord des NASA-Satelliten Cosmic Background Explorer (COBE). Ihre Messungen bestätigten, dass sich im frühen Universum Materie und Strahlung in einem nahezu perfekten thermodynamischen Gleichgewicht befanden. Die winzigen Abweichungen davon haben sich seitdem zu Sternen, Galaxien und den großräumigen Strukturen entwickelt, die heute im Universum sichtbar sind.

Abb. 1: John Mather (links) und George Smoot (rechts).

Fig. 2: Der COBE-Satellit in seiner Umlaufbahn außerhalb der Erdatmosphäre. Die Eintrittsöffnungen für die FIRAS- und DMR-Experimente sind bezeichnet.

COBE wurde 1989 gestartet und erstellte in den vier Jahren von 1989 bis 1993 eine Karte der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung. Diese CMB-Strahlung, ein Überrest der Hitze des Urknalls, war 1964 von Arno Penzias und Robert Wilson entdeckt worden --- eine Leistung, für die sie 1978 den Physik-Nobelpreis erhielten. Bereits in den ersten neun Betriebsminuten hatte John Mather's FIRAS Instrument, ein Ferninfrarot-Spektrograph, gezeigt, dass die Intensität der CMB-Strahlung als Funktion der Wellenlänge (das sog. Spektrum) exakt den theoretischen Vorhersagen von Max Planck aus dem Jahre 1900 folgte: Es war die Strahlung eines idealen schwarzen Körpers, eines Objekts in perfektem thermodynamischen Gleichgewicht mit seinem Strahlungsfeld. Messungen von COBE/FIRAS in den folgenden vier Jahren bestätigten die Erkenntnisse der ersten neun Minuten; die Abweichungen von der exakten Schwarzkörperkurve sind extrem klein und betragen weniger als ein Zehntausendstel. Das bedeutet, dass das Universum ursprünglich fast völlig uniform gewesen sein muss. Ein so exaktes globales Gleichgewicht zwischen Materie und Strahlung wie das beobachtete hätte später als einen Monat nach dem Urknall gar nicht mehr zustande kommen können.

George Smoots DMR Instrument, ein sog. differentielles Mikrowellen-Radiometer, war dafür ausgelegt, kleinste Schwankungen der Temperatur der CMB-Strahlung um ihren Mittelwert von 2,73 Grad über dem absoluten Nullpunkt zu kartieren. Nach einem Betriebsjahr konnten Smoot und seine Kollegen erstmalig zeigen, dass solche Schwankungen tatsächlich existieren, und zwar auf dem Niveau von einem Hunderttausendstel. Die Existenz dieser winzigen Fluktuationen war mehr als zwanzig Jahre vor dem COBE-Start von russischen und amerikanischen Theoretikern vorhergesagt worden. Man kann sich vorstellen, dass sie von kleinen Schwankungen in der Materie- und Strahlungsdichte im frühen Universum verursacht wurden. Seit dem Zeitpunkt, wo wir sie sehen (etwa 400.000 Jahre nach dem Urknall), sind diese Schwankungen durch die Gravitationskraft angewachsen und haben zu all den Strukturen geführt, die uns heute umgeben. Mit dem DMR-Instrument von COBE haben wir das erste wirkliche Bild davon bekommen, wie das Universum aussah, bevor es Sterne oder gar Galaxien gab.

Die Design- und Konstruktionsarbeiten am COBE-Experiment hatten mehr als 15 Jahre gedauert und erforderten die effiziente Zusammenarbeit von über 1000 Wissenschaftlern und Ingenieuren. Forschergruppen unter der Leitung von John Mather und George Smoot arbeiteten in enger Kollaboration intensiv daran, die FIRAS- und DMR-Daten zu interpretieren. Zusätzlich war John Mather als leitender Wissenschaftler für die Koordination des gesamten COBE-Projekts verantwortlich. Wissenschaftliche Fortschritte, wie sie dieses Jahr vom Nobelpreiskomitee gewürdigt wurden, erfordern die kollektive Anstrengung einer großen Anzahl extrem talentierter und hingebungsvoller Menschen.

Es ist interessant, dass in den 15 Jahren seit COBE kein Folgeexperiment die FIRAS-Spektren verbessern konnte. Eigentlich sollte im CMB-Spektrum weitere Information von fundamentaler Bedeutung enthalten sein, aber trotz technischer Fortschritte sind sie immer noch außer Reichweite. Andererseits gab es große Anstrengungen, die DMR-Messungen der Struktur des Mikrowellenhintergrunds zu verbessern, und technische Fortschritte haben zu weiteren spektakulären Ergebnissen geführt, insbesondere durch den WMAP-Satelliten der NASA, der 2001 gestartet wurde. Offenbar hat die Struktur des frühen Universums genau die statistischen Eigenschaften, die man erwartet, wenn alle Strukturen von Quantenfluktuationen des Vakuums während einer inflationär beschleunigten, sehr frühen Ausdehnungsphase stammen. Darüber hinaus bestätigen die neuen Daten, dass der heutige Zustand des Universums von der bislang noch nicht näher bestimmten dunklen Materie und von einer dunklen Energie dominiert wird. Die nächsten grösseren Fortschritte werden vom Planck-Satelliten der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA erwartet, dessen Start für 2008 geplant ist. Als der führende deutsche Partner innerhalb des Planck-Projekts wird sich das Max-Planck-Institut für Astrophysik intensiv an der Interpretation dieser neuen Daten beteiligen.

Simon White