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Röntgendopperlsterne mit massereichem Begleiter als Indikator für Sternentstehung


Forscher am Max-Planck-Institut für Astrophysik schlagen vor, die Zahl und Helligkeit von Röntgendoppelsternen als Maß für die Sternentstehung in Galaxien zu verwenden. Dies wird in Zukunft vielleicht neue Einblicke in die Sternentstehung erlauben.


Molekuelwolke Barnard 68

Abbildung 1: Die Molekülwolke Barnard 68 aufgenommen vom VLT. In Gas-und Staubwolken wie diesem findet Sternentstehung statt. Die Wolke ist für sichtbares Licht und UV-Strahlung undurchdringlich.


Galaxis M83

Abbildung 2: Die Galaxis M 83. Das obere Bild zeigt eine Aufnahme im sichtbaren Licht (VLT, FORS Team). Das untere Bild zeigt dieselbe Region im Röntgenlicht aufgenommen vom Chandra-Röntgenteleskop (R.Soria & K.Wu).


Sternentstehungsrate / Gesamtleuchtkraft

Abbildung 3: Das Verhältnis von Sternentstehungsrate zur Gesamtleuchtkraft von Röntgendoppelsternen mit einem massereichen Begleiter für nahe Galaxien (blaue Symbole) und weit entfernte Galaxien (rote Symbole).


Obwohl die sichtbare Materie in Form von Sternen nur einen kleinen Bruchteil der Masse des Universums ausmacht, sind Sterne von überragender Bedeutung für das Leben auf der Erde. Die Elemente, die die Erde und andere Planeten ausmachen, sind die Asche von explodierten Sternen. Außerdem ist unsere Sonne der Energielieferant für alles Leben auf der Erde. Für das Verständnis der Entwicklung des Sonnensystems und der Galaxien im allgemeinen ist es daher von großem Interesse, zu verstehen, wie und wo Sterne entstehen.

Aus Beobachtungen weiß man, daß Sternentstehung auf verschiedene Weisen stattfindet. Entweder entstehen viele Sterne in kurzer Zeit, wie beispielsweise bei der Kollision von Galaxien, oder Sterne entstehen in einem langsamen, kontinuierlichen Prozess, wie in der Milchstraße. Die Sternentstehungsrate bezeichnet die Masse Gas und Staub, die pro Jahr in neue Sterne umgewandelt wird, und wird in Sonnemassen pro Jahr gemessen.

Die Messung dieser Sternentstehungsrate ist sehr schwierig. Sternentstehung findet in dichten Gas- und Staubwolken statt, die die Beobachtung stark behindern, siehe Abb. 1. Alle Meßmethoden zur Bestimmung der Sternentstehungsrate basieren außerdem auf nicht gut verstandenen Details des Sternentstehungsprozesses.

Forscher am Max-Planck-Institut für Astrophysik haben nun vorgeschlagen, spezielle Doppelsternsysteme als Maß für die Sternentstehung zu verwenden. Diese Doppelsternsysteme bestehen aus einem sehr massereichen Stern, mindestens zehnmal schwerer als die Sonne, und einem sogenannten kompakten Objekt, einem Neutronenstern oder Schwarzen Loch. Der Neutronenstern oder das Schwarze Loch zieht aufgrund seiner Masse Materie von dem normalen Stern ab. Während die Materie auf das kompakte Objekt zufällt, heizt sich die Materie sehr stark auf und strahlt am Ende Röntgenstrahlung ab. Die Röntgenstrahlung dieser Doppelsternsysteme kann heute von Satelliten auch in anderen Galaxien beobachtet werden. Ein Beispiel zeigt Abb. 2, einmal eine Aufnahme im sichtbaren Licht der Galaxis M 83, und einmal eine Röntgenaufnahme desselben Objekts. Man erkennt klar, die einzelnen Röntgendoppelsterne.

Diese speziellen Doppelsternsysteme sind gut geeignet, die Sternentstehungsrate zu messen, da ihre Lebensdauer sehr kurz ist: Je schwerer ein normaler Stern ist, desto kürzer ist seine Lebenszeit. Daher beobachtet man diese Systeme in Gebieten mit aktiver Sternentstehung. Diese neue Methode der Messung der Sternentstehungsrate hat mehrere Vorteile. Die Röntgenstrahlung durchdringt die dichten Gas- und Staubwolken leicht. Außerdem ist diese Methode unabhängig von den Details des Sternentstehungsprozesses. Darüberhinaus sind die Voraussetzungen, diese Systeme zu erzeugen, schwer zu erfüllen, sodaß sie relativ selten sind. Das macht ihre Beobachtung auch bei grösseren Entfernungen möglich, ohne Verwirrung durch die Anzahl der Systeme.

Eine Forschergruppe des Max-Planck-Instituts für Astrophysik hat an Hand der Analyse von Daten des Chandra-Röntgenteleskops gezeigt, daß die die Zahl und Helligkeit dieser Dopplersternsysteme gut geeignet ist, die Sternentstehungsrate in Galaxien zu messen. Dazu wurde die Röntgenstrahlung der Galaxien mit Messungen der Sternentstehungsrate verglichen, was in Abb. 3 dargestellt ist. Es ergibt sich eine gute Übereinstimmung zwischen der Helligkeit und der Sternentstehungsrate auch für weit entfernte Galaxien im sogenannten Hubble Deep Field (HDF), als das Universum nur ungefähr die Hälfte seines heutigen Alters hatte.

Diese Methode erlaubt nun, die Sternentstehungsrate unabhängig zu messen. Außerdem ist es in Zukunft vielleicht auch möglich, genauere Aussagen über die Sternentstehung an sich zu machen, da die Existenz dieser speziellen Doppelsternsysteme sehr empfindlich von den Bedingungen der Sternentstehung abhängt.

Hans-Jakob Grimm



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