Die Beziehung zwischen Galaxien und dunkler Materie

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Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik haben eine neue Methode entwickelt, um die beobachtete Verteilung der Galaxien und die Verteilung der Halos aus dunker Materie in Beziehung zu setzen.

In dem derzeit favorisierten kosmologischen Modell wird angenommen, dass der Großteil der Materie aus bisher nicht direkt nachgewiesenen Teilchen besteht. Diese kalte dunkle Materie, wie sie allgemein bezeichnet wird, bildet ''Halos'', in deren Innerem Galaxien enstehen. In den letzten zwanzig Jahren ist es den Astrophysikern gelungen, ein recht genaues Verständnis des Wachstums dieser Halos aus dunkler Materie zu entwickeln. Insbesondere sind nun genaue Beschreibungen der Häufigkeitsverteilung von Halos bestimmter Masse, der sogenannten Massenfunktion, sowie ihrer räumlichen Korrelationseigenschaften verfügbar (Abbildung 1). In den vergangenen Jahren gelang es auch, umfangreiche Rotverschiebungskataloge beobachteter Galaxien zu erstellen, so dass ähnliche statistische Eigenschaften für die räumliche Verteilung direkt gemessen werden können (Abbildung 2). Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik haben nun eine neue Technik entwickelt, um diesen Vergleich zwischen theoretischen Vorhersagen der Verteilung der Halos aus dunker Materie und der beobachteten Verteilung leuchtender Galaxien durchzuführen.

Abbildung 1: Die Verteilung der dunklen Materie in einer großen Computersimulation der Strukturbildung im Universum. Die dunkle Materie konzentriert sich in Halos, welche über ein komplexes Netzwerk aus Filamenten miteinander verbunden sind. Die hier gezeigte Simulation wurde vom Virgo Konsortium durchgeführt, unter Beteiligung von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Astrophysik (siehe Jenkins et al. 1998, Astrophysical Journal, 499, 20-40).

Bei dieser Technik werden auf statistische Weise Galaxien bestimmter Leuchtkraft den Halos bestimmter Masse zugeordnet. Die Funktion, welche dabei beschreibt, wie Galaxien die Halos bevölkern, wird bedingte Leuchtkraftfunktion genannt. Der Ansatz der neuen Methode besteht darin, ausgehend von der Verteilung der Halos aus dunkler Materie diejenige bedingte Leuchtkraftfunktion zu bestimmen, welche am besten die statistischen Eigenschaften der Verteilung der beobachteten Galaxien wiedergibt.

Abbildung 2: Die Verteilung der Galaxien im Rotverschiebungskatalog des "2 degree Field Galaxy Redshift Survey" (2dFGRS). Jede Galaxie ist durch einen schwarzen Punkt dargestellt. Der Beobachter an der Position der Erde befindet sich dabei im Zentrum der "Schmetterlings"-artigen Figur. Der radiale Abstand von diesem Zentrum ist die Rotverschiebung jeder Galaxie, während der Positionswinkel den Ort der Galaxie auf der Himmelskugel angibt. Es ist eine Herausforderung für Astrophysiker, diese räumliche Verteilung der Galaxien in Beziehung zur Verteilung der dunklen Materie, die in Abbildung 1 gezeigt ist, zu setzen.

Wenn es gelingt, die bedingte Leuchtkraftfunktion zu bestimmen, so erhält man wertvolle Informationen über die Galaxienentstehung, in welcher eine Reihe von physikalischen Prozessen eine Rolle spielen, die nur unzureichend verstanden sind. So beschreibt die bedingte Leuchtkraftfunktion direkt, wie effizient Halos bestimmter Masse darin sind, Galaxien bestimmter Helligkeit zu bilden. Da die statistischen Eigenschaften der dunklen Halos auch von dem angenommenen kosmologischen Modell abhängen, erhält man auch wichtige Schranken für die zulässigen Werte der kosmologischen Parameter. Interessanterweise ist es dabei so, dass die derzeit verfügbaren Daten über die Galaxienverteilung eine mittlere Dichte des Universums favorisieren, die sehr nahe an dem Wert liegt, der aus Beobachtungen entfernter Supernovae bestimmt wird. Schließlich beinhaltet die bedingte Leuchtkraftfunktion auch Informationen über die Verteilung des Lichts im lokalen Universum. Als ein Beispiel zeigt Abbildung 3 die Wahrscheinlichkeitsverteilung dafür, dass ein von einer Galaxie emittiertes Photon von einer Galaxie der Leuchtkraft L, welche sich in einem Halo der Masse M befindet, stammt. Galaxien mit einer Helligkeit ähnlich der der Milchstraße, welche sich in Halos einer Masse von etwa 5 x 1012 Sonnenmassen befinden, sind demnach die effektivsten Produzenten von Photonen.

Abbildung 3: Die Wahrscheinlichkeitsverteilung dafür, dass ein zufälliges Photon im lokalen Universum von einer Galaxie der Leuchtkraft L, welche in einem Halo der Masse M lebt, stammt. Diese Wahrscheinlichkeitsverteilung wurde aus derjenigen bedingten Leuchtkraftfunktion bestimmt, welche die derzeitigen Beobachtungsdaten am besten beschreibt.

In den nächsten Jahren werden neue, große Rotverschiebungskataloge für eine dramatische Verbesserung sowohl der Quantität als auch der Qualität der Daten über die Verteilung der Galaxien sorgen. Eine der größten Himmelsdurchmusterungen dieser Art ist der "Sloan Digital Sky Survey", an dem auch das Max-Planck-Institut für Astrophysik beteiligt ist. Die Methode der bedingten Leuchtkraftfunktion, welche hier beschrieben wurde, wird sich dabei hoffentlich als nützliches Werkzeug erweisen, um wichtige Informationen über Kosmologie und Galaxienenstehung aus diesen neuen Daten zu gewinnen.


Frank van den Bosch









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Last modified: Fri May 31 10:52:23 MDT 2002
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