Simulation der Entstehung und Entwicklung der Galaxien im lokalen Universum |
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Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik haben mit Hilfe eines Supercomputers simuliert, wie sich die Galaxien in unserer kosmologischen Nachbarschaft entwickelt haben. Diese Entwicklung fand im Rahmen eines flachen Universums statt, dessen Inhalt aus "kalter dunkler Materie" besteht, und das sich durch eine sogenannte "kosmologische Konstante" beschleunigt ausdehnt. Die numerischen Ergebnisse stimmen mit den beobachteten Eigenschaften der lokalen Galaxien und Galaxienhaufen gut überein.
Bild 1:
Scheibenförmiger Schnitt durch die Verteilung der lokalen Galaxien, die im Rahmen des "CfA Redshift Survey" Katalogs beobachtet worden sind. Die Ansammlung von Galaxien, die sich in der Mitte befindet ("der Korper und der Kopf des Mannes"), ist der Coma Galaxienhaufen. Quelle: de Lapparent, Geller and Huchra, 1986. |
Numerische Simulationen der Entstehung und Entwicklung von Galaxien werden am Max-Planck-Institut für Astrophysik regelmäßig durchgeführt. Solche Simulationen verfolgen verschiedene Zwecke: der erste besteht darin, die physikalischen Prozesse, die auf der Skala von Galaxien und darüber hinaus wirksam sind, besser zu verstehen. Der zweite ist, konkurrierende kosmologische Modelle für die gesamte Entwicklung des Universums prüfen zu können.
Im Gegensatz zu früheren Simulationen, in denen die heutige Verteilung der Galaxien nur in statistischer Weise mit den Beobachtungen verglichen werden konnte, sind die Anfangsbedingungen der hier vorgestellten Simulationen so eingeschränkt worden, daß sie mit den grossen Strukturen unserer kosmologischen Nachbarschaft konsistent sind. Diese Einschränkungen stammen aus der wirklichen Galaxieverteilung, so wie sie mit dem "Astronomischen Infrarot Satellit" IRAS beobachtet worden ist. Die beobachtete Verteilung ist rückwärts in der Zeit extrapoliert worden, bis "kurz" nach dem Urknall. Dann hat die Simulation die Entwicklung der Galaxien bis zur heutigen Zeit vorwärts verfolgt, mit allen anderen Einzelheiten, die für eine genaue Darstellung individueller Galaxien nötig sind. Die Berechnungen sind am Rechenzentrum der Max-Planck Gesellschaft (RZG) in Garching mit der CRAY T3E durchgeführt worden.
Wie erwartet sind die in der Simulation beschriebenen Strukturen sehr ähnlich der beobachteten lokalen Verteilung der Galaxien, und das bis zu einer Entfernung von circa der des Coma Galaxienhaufens, etwa 260 Millionen Lichtjahre weit. Die Auflösung der Simulation erlaubt es uns, die Entwicklung aller Galaxien heller als die "Große Magellansche Wolke", die der größte Satellit der Milchstraße ist, berechnen zu können.
In der Simulation sammeln sich die roten elliptischen Galaxien genau an den selben Stellen, an denen sich in Wirklichkeit die nahen Galaxienhaufen, die reich an elliptische Galaxien sind, befinden, wie etwa Virgo, Hydra, Centaurus oder Perseus. Die blauen Spiralgalaxien, in denen weiterhin viele Sterne entstehen, befinden sich dagegen in Filamenten aus dunkler Materie, die diese Galaxienhaufen verbinden. Man kann auch leicht breite Hohlräume in der Verteilung der simulierten Galaxien erkennen. Auch diese Gebiete, die fast leer von leuchtenden Galaxien sind, haben ähnliche Größen wie die dunklen Bereiche in der Beobachtungen, und sie befinden sich an vergleichbaren Stellen.
Bild 2: Die heutige Verteilung der dunklen Materie in einem scheibenförmigen Schnitt durch eine Simulation eines flachen Universums mit einer kosmologischer Konstante. Die Scheibe hat eine Breite von 520 Millionen Lichtjahren und eine Dicke von 100 Millionen Lichtjahren. Sie umfaßt die sogenannte "supergalaktische Ebene". Die größten lokalen Galaxienhaufen wie Coma, Virgo, Perseus sind darin enthalten. |
Bild 3: Die heutige Verteilung der Galaxien in derselben Scheibe wie in Bild 2. Galaxien sind mit farbigen Kreisen dargestellt. Die roten Galaxien sind meistens elliptisch, und befinden sich vorwiegend in überdichten Bereichen wie Galaxienhaufen. Im Gegensatz dazu sind grüne und blaue Galaxien meist Spiralgalaxien und befinden sich in Filamenten, oder am Rand der Hohlräume. Beachten Sie den großen Hohlraum links unten. In diesem Bild wurde die Entwicklung von Galaxien nur in einem zentralen Kreis verfolgt, nicht in den Ecken. |
Zusätzlich zu dieser qualitativen Übereinstimmung zwischen der beobachteten und simulierten Verteilung der massiven Galaxienhaufen haben wir auch quantitative Übereinstimmung zwischen den Strukturen in den numerischen Simulationen und in den Galaxiekatalogen des beobachteten lokalen Universums gefunden.
Man kann nun diese Simulationen benutzen, um die Frage zu beantworten, wie unsere kosmologische Nachbarschaft in früheren Zeiten aussah. Zum Beispiel, wie sah ein Galaxienhaufen wie Coma vor 6 bis 8 Milliarden Jahren in der Vergangenheit aus ? Zu dieser Zeit waren Kollisionen und starke Wechselwirkungen zwischen Galaxien sehr häufig, und die Entstehung von Sternen war viel effizienter als heute. Solch eine archäologische Studie hilft bei der Suche nach immer weiter entfernten und jüngeren Galaxien, die man "kurz" nach dem Urknall sieht, als sie sich gerade bildeten.
Unser Verständnis der Entstehung von Galaxien in diesen frühen Zeiten ist noch sehr unklar. Es kann verbessert werden, indem man die Voraussagen verschiedener Modelle für die heutige Zeit mit den Eigenschaften lokaler Systeme sehr genau vergleicht.
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