Gasscheiben um Doppelsterne

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Doppelsternsysteme haben häufig eine sehr starke Leuchtkraft: Henk Spruit und Friedrich Meyer vom Max-Planck-Institut für Astrophysik haben dazu eine neue Theorie entwickelt: Danach sind viele der Doppelsterne von Gasscheiben umgeben, was die hohe Leuchtkraft vieler Zwergnovae und einige andere Eigenschaften von sogenannten `Schwarze-Loch- Kandidaten' erklären würde.

Abbildung 1

Die Abbildung zeigt, wie ein Doppelsternsystem ausschauen würde, in dem ein so genannter weisser Zwerg (weisser Punkt im Zentrum) von einem normalen Stern (in Rot gezeigt) umkreist wird. Beide Sterne sind einander so nah, dass sich Gas vom roten Stern löst und auf den weissen Zwerg zuströmt. Bevor sich das Gas aber auf den Zwerg absetzen kann, kreist es viele Male um ihn herum und bildet dabei eine so genannte Akkretionsscheibe (in Gelb).

Aufnahmen wie diese können nicht mit Teleskopen gemacht werden, weil solche Doppelsterne vergleichsweise kleine Objekte im Kosmos sind. Zahlreiche indirekte Beobachtungen zeigen jedoch, dass Objekte wie Novae, Zwergnovae oder sogenannte Schwarze-Loch-Kandidaten (Systeme, die statt eines weissen Zwergs ein schwarzes Loch enthalten) in etwa so aussehen müssen. Diese Beobachtungen zeigen auch, dass es ausserdem noch ein verdünntes Gas geben muss, das von der Akkretionsscheibe als ,,Wind'' weg fliesst (im Bild als blauer und violetter Dunst gezeigt).

Die neue Theorie besagt nun, dass ein Teil dieses Windes (der violette Dunst) sich so langsam bewegt, dass es den Doppelstern nicht verlassen kann, sondern sich stattdessen in einer `externen Scheibe' ansammelt (im Bild: der grosse braune Ring). Während der hunderte Millionen Jahre, die solche Doppelsterne leben, könnte sich derart viel Masse ansammeln, dass die Bahnbewegung des roten Sterns dadurch beeinflusst wird. Als eine zweite Möglichkeit könnte eine externe Gasscheibe auch Überbleibsel von kosmischen Prozessen sein, die den Doppelstern erst in seine enge Bahn gebracht haben.

,,Gezeiten'', die durch die Anziehungskraft des roten Sterns in die externe Scheibe verursacht werden, wirken zurück auf den Doppelstern, ähnlich wie bei der Gezeitenwechselwirkung zwischen Mond und Erde. Dadurch verliert der rote Stern an Bahnbewegung und wird in eine engere Bahn um den weissen Zwerg gezwungen. Um in diese engeren Bahn zu passen, überträgt der Stern mehr Masse, wodurch wiederum die Akkretionsscheibe heller wird. Dies könnte die eigenartige Leuchtkraft sowie einige andere, bisher noch unverstandene Eigenschaften der Akkretionsscheiben erklären, die in vielen Doppelsternsystemen beobachtet werden.

Die wichtigste Frage für die weiteren Forschungen ist jetzt: Wenn es diese externen Scheiben tatsächlich gibt, wie könnte man sie durch Beobachtungen nachweisen? Die jetzigen Berechnungen zeigen jedenfalls, dass diese Gasscheiben vermutlich sehr lichtschwach sind, auch wenn sich schon viel Masse in ihnen angesammelt hat. Die Astrophysiker gehen deshalb davon aus, dass die beste Chance, solche Gasscheiben nachzuweisen, dann bestehen würde, wenn man diese Sterne im infraroten Teil des Spektrums beobachten könnte. Ein entsprechendes Beobachtungsprogramm ist bereits angelaufen.


Henk Spruit, Friedrich Meyer






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Last modified: Mon Apr 9 17:50:39 MDT 2001
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