Der erste Massen-selektierte Halo Dunkler Materie

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Die Bilder schwacher und weit entfernter Galaxien werden durch das Gezeiten-Gravitationsfeld von Massenkonzentrationen im Vordergrund verzerrt. Die statistischen Eigenschaften des Verzerrungsfeldes kann mit tiefen und hochqualitativen Aufnahmen vermessen und daraus die Massenverteilung der lichtablenkenden Massenkonzentration rekonstruiert werden. Bisher wurde diese Methode benutzt, um die Massenverteilung bereits bekannter Galaxienhaufen, die ein kohärentes Verzerrungsfeld von Hintergrundgalaxien erzeugen, zu studieren. Abb.1 zeigt als besonders drastisches Beispiel die durch den massiven Galaxienhaufen Abell 1689 hervorgerufenen Bildverzerrungen.

Abb. 1:
    Eine mit dem Weltraum-Teleskop Hubble gewonnene, sehr tiefe Aufnahme des Galaxienhaufens Abell 1689. Die meisten der hier sichtbaren hellen Galaxien sind Mitglieder des Galaxienhaufens mit Rotverschiebung z=0.18. Der Haufen ist umgeben von einer großen Zahl sehr stark verzerrter Bilder von Hintergrundgalaxien; deren Lichtbündel wurden durch das gravitative Gezeitenfeld des Haufens zu sogenannten leuchtenden Bögen verzerrt. Bei größeren Winkelabständen vom Haufenzentrum wird die Verzerrung kleiner und kann nicht auf dem ersten Blick als solche identifiziert werden. Jedoch kann sie vermessen werden, indem man über mehrere dieser Bilder von Hintergrundgalaxien mittelt. Die räumliche Abhängigkeit der Verzerrungen zeigt das Vorhandensein einer massiven Massenkonzentration an und erlaubt, die Masse des Galaxienhaufens zu quantifizieren.



Der Verzerrungseffekt, auch `weak gravitational lensing' genannt, kann auch zu einem `blinden Suchen' nach Massenkonzentrationen im Universum benutzt werden. Dadurch könnte man Halos Dunkler Materie entdecken, die wenig Licht emittieren und die daher von den mehr konventionellen Methoden zur Suche von Galaxienhaufen übersehen würden. In einer weak-lensing Analyse einer tiefen Weitwinkel-Aufnahme, zentriert auf den Galaxienhaufen Abell 1942, haben wir neben diesem Haufen selbst eine zweite hoch-signifikante Massenkonzentration entdeckt, die etwa 7 Bogenminuten vom Haufen entfernt ist (siehe Abb.2). Dieses zweite Dichtemaximum wurde mittels einer zweiten tiefen Aufnahme verifiziert, die mit einer anderen Kamera und in einem anderen Wellenband aufgenommen wurde. Die Wahrscheinlichkeit, daß dieses Dichtemaximum von einer zufälligen Ausrichtung der intrinsischen Orientierung der Hintergrundgalaxien hervorgerufen wird, ist ungefähr ein Millionstel. Diese Massenkonzentration scheint von keiner Konzentration der Galaxienanzahldichte begleitet zu sein, und nur geringe Röntgenemission ist aus dieser Richtung gemessen worden. Diese Massenkonzentration kann entweden ein Galaxienhaufen bei mittlerer Rotverschiebung sein, aber mit einem extrem kleinen Leuchtkraft-zu-Massen Verhältnis, oder ein Galaxienhaufen sehr großer Rotverschiebung mit einem normaleren Masse-zu-Leuchtkraft Verhältnis, aber extrem großer Masse. Zukünftige Röntgen- und Infrarotbeobachtungen werden zwischen diesen Möglichkeiten unterscheiden können.

Abb. 2:
    Dichtekontouren der rekonstruierten Flächenmassendichte, aufgetragen über eine tiefe Aufnahme im V-Band (links, Feldgröße ist 14' x 14') bzw. im I-Band (rechts, 7.5' x 15'). Der Galaxienhaufen Abell 1942 bei Rotverschiebung z=0.22 befindet sich etwa im Zentrum des V-Band Bildes und nahe der oberen Kante in der I-Band Aufnahme. Etwa 7' südlich vom Haufenzentrum sieht man eine zweite Massenkonzentration, die mittels mehrerer statistischer Tests sich als ähnlich signifikant erweist wie der Haufen Abell 1942 selbst. Man sieht keine Galaxienüberdichte, die mit dieser Massenkonzentration assoziiert ist.



Falls sich dieses Resultat bestätigt, hätten wir damit den ersten Massen-selektierten Halo dunkler Materie entdeckt. Bereits existierende und für die nahe Zukunft geplante Weitwinkel-Kameras werden eine systematische Suche nach solchen Halos ermöglichen, wobei die erwartete Dichte etwa 10 pro Quadratgrad beträgt. Eine Stichprobe Massen-selektierter Halos wäre von großem Nutzen für die Überprüfung kosmologischer Modelle und unserer Vorstellungen für die Strukturentwicklung im Universum.


Th. Erben, P. Schneider





Literaturhinweise:













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Last modified: Fri Jul 30 16:00:58 MDT 1999 by Markus Rampp
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