Sonnen-Neutrinos

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Im Zentrum der Sonne laufen Kernfusions-Reaktionen ab, die der Sonne die Energie liefern, die sie seit fast fünf Milliarden Jahren von ihrer Oberfläche abstrahlt. In diesen Reaktionen entstehen Elektron-Neutrinos, die die Sonne ungehindert verlassen und in Detektoren auf der Erde empfangen und gezählt werden können. Alle vier derzeit in Betrieb befindlichen Detektoren messen nur etwa die Hälfte des Neutrinoflusses, wie er von theoretischen Sonnenmodellen vorhergesagt wird. Als Erklärung wird angenommen, dass die Elektron-Neutrinos sich auf ihrem Weg vom Sonnenkern in die Detektoren in die zwei anderen existierenden Neutrinoarten ("Flavour") umwandeln, die weder in Kernreaktionen entstehen noch in den Detektoren gemessen werden können, und damit "verloren" gehen. Die Neutrinoumwandlung von Flavour "1" (z.B. Elektronneutrino) in einen anderen Flavour "2" wird durch zwei bisher unbekannte Größen bestimmt, die mit $\triangle m_{12}^2$ und $\sin^2 2\theta_{12}$ bezeichnet werden (entsprechend $\triangle m_{13}^2$ und $\sin^2 2\theta_{13}$ für die Umwandlung von 1 nach 3). Durch Berechnung eines Sonnenmodelles, der Zahl und Energieverteilung der emittierten Elektronneutrinos, der Umwandlung derselben auf ihrem Weg in den Detektor und Simulation der Messungen versuchen wir die Werte dieser vier Größen zu bestimmen, durch die die Ergebnisse von allen drei Zählexperimenten gleichzeitig erklärt werden können. Darüber hinaus versuchen wir auch die kürzlich im Super-Kamiokande-Experiment bestimmte Energieverteilung der Neutrinos zu reproduzieren. Ohne diese letzte Zusatzinformation können die Zählergebnisse auch durch eine Umwandlung in nur einen anderen Neutrino-Flavour erklärt werden. Aus den Erkenntnissen über die Sonnen-Neutrinos erhalten Teilchenphysiker wichtige Hinweise auf die Physik der kleinsten Bausteine der Welt.

Abbildung 1

Abbildung 1 zeigt die Vorhersagen der Messungen von Sonnen-Neutrinos in den vier Experimenten, GALLEX/SAGE, Homestake, Super-Kamiokande (farbige Balken) im Vergleich mit den tatsächlichen Zählraten (graue Histogramme). Die schraffierten Bereiche geben die theoretischen bzw. experimentellen Unsicherheiten in den Raten wieder. Da die Neutrinos in verschiedenen Kernreaktionen mit unterschiedlicher Energie entstehen und die Experimente unterschiedlich empfindlich messen, setzt sich der gemessene Neutrinofluss entsprechend unterschiedlich zusammen (in Abb.1 dargestellt durch verschiedene Farben). So kann Super-Kamiokande praktisch nur die energiereichste Neutrinosorte sehen, während die Gallium-Experimente (GALLEX & SAGE) eine Mischung von Neutrinos aus allen Fusionsprozessen messen. Da die Verhältnisse Messung:Vorhersage für die vier Experimente differieren (aber stets bei etwa 0.5 liegen), legt diese Graphik bereits den Schluss nahe, dass der Mechanismus, der das Defizit bewirkt, energieabhängig ist.

Abbildung 2

Die Umwandlung der Elektron-Neutrinos in die beiden anderen Sorten 2 und 3 wird durch 4 zunächst unbekannte Größen bestimmt. Die Abbildung 2 zeigt nun die Bereiche in einem 3-dimensionalen Parameter-Unterraum (der Parameter $\triangle m_{13}^2$ wurde weggelassen), für die unser Modell aus der Zahl der in der Sonne erzeugten Elektron-Neutrinos und der Umwandlung in die beiden anderen Flavour die Messergebnisse aller vier Experimente (siehe Abbildung 1) einschließlich der Energieverteilung der Neutrinos (in Super-Kamiokande messbar) gleichzeitig erklären kann. Diese Bereiche befinden sich jeweils zwischen den rötlich dargestellten einhüllenden Flächen. Verläuft einer dieser Lösungsbereiche (z.B. die "Röhre" bei $\triangle m_{12}^2=10^{-5} \rm{eV}^2$ und $\sin^2 2\theta_{12}=10^{-2}$ parallel zu einer Achse, bedeutet das, dass die Eigenschaften der Umwandlung in die dritte Neutrino-Sorte unwichtig sind, bzw. die Umwandlung nicht stattfindet. Allerdings enthalten solche Bereiche keine sehr guten Lösungen (s. Abbildungen 3 und 4).

Abbildung 3

Um lediglich die Zählergebnisse (Abbildung 1) zu erklären, genügt die Umwandlung der Elektron-Neutrinos in nur eine der beiden anderen Neutrino-Sorten (siehe Abb.3). In diesem Fall reduziert sich Abbildung 2 auf eine Fläche, in der die Lösungsbereiche als farbige Inseln dargestellt sind. Die besten Lösungen sind durch Dreiecke markiert.

Abbildung 4

Diese Abbildung zeigt, wie verschiedene Lösungen, die die Zählergebnisse (Abbildung 1) erklären, mit dem gemessenen Neutrino-Energiespektrum (Symbole mit Fehlerbalken) im Super-Kamiokande- Detektor übereinstimmen (tatsächlich wird das Energiespektrum von Elektronen gemessen, das aber durch die Reaktionen mit den Neutrinos und damit deren Energiespektrum bestimmt ist). Die Lösungen aus Abbildung 3 können den Anstieg bei höchsten Energien nicht reproduzieren, dazu ist die weitere Umwandlung in die dritte Sorte (SVAC - Lösung) notwendig.


H. Schlattl, A. Weiss





Literaturhinweise:






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Last modified: Fri Feb 11 18:11:59 MET 2000 by Markus Rampp
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